Von der Alp in die Stadt

Seit Oktober sind die Sennen in der Stadt. Genau genommen in Wien, und es sind nicht die Sennen selbst, sondern vielmehr ihr sensationeller Alpkäse. Weil, wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg eben zum Propheten.
Jedenfalls gibt es in Wien-Neubau Alpkäse aus Vorarlberg. Aus drei Jahrgängen. Und nur vier Monate lang.
Von Jürgen Schmücking

Sömmern. Das Wort klingt entspannt. Fast erinnert es an Sommerfrische. Gemeint ist damit aber, das Vieh im Sommer auf die Weide zu treiben. Der Alpsommer: Das sind hundert Tage harte Arbeit, dem Wind und dem Wetter trotzen und in der Einsamkeit der Berge das Vieh hüten und den vielleicht besten Käse der Welt käsen. Sennen sind ganz besondere Menschen, und wir verdanken ihnen sehr viel. Nicht nur den Alpkäse. Auch den Erhalt einer Kulturlandschaft, die unvergleichlich ist.

Sobald das Gras nach der Schneeschmelze hoch genug gewachsen ist, werden die Kühe von ihrem winterlichen Quartier auf die höher gelegenen Weiden getrieben. Zuerst auf das Vorsäß (zwischen 900 und 1.600 Metern), später auf die Hochalp (bis zu 2.000 Metern). Der Zeitpunkt richtet sich dabei stets nach der Natur und der Kraft der Vegetation.

In Vorarlberg werden etwa 520 Alpen bewirtschaftet. 150 davon sind Sennalpen, auf denen der gefragte Alpkäse entsteht. Eine Besonderheit ist die Alpung von knapp 9000 Milchkühen. Das sind mehr als ein Drittel des Vorarlberger Milchkuhbestandes. Von 150 Sennalpen werden ungefähr 460.000 Kilo hochwertiger Alpkäse gekäst.

Alpkäse ist einzigartig. Keinesfalls darf er mit dem Vorarlberger Bergkäse verwechselt werden. Diese Gefahr besteht natürlich, da der Vorarlberger Bergkäse in fast jedem Käseregal heimischer Supermärkte erhältlich ist. Dabei ist der Unterschied eklatant.
Alpkäse wird aus Heumilch hergestellt, die auf der Alpe gemolken wird. Und NUR aus dieser Milch. Die Kühe genießen im Sommer das saftige Gras samt würzigen Bergkräutern. Entsprechend unvergleichlich schmeckt der Alpkäse.

Käsliebe als Zeichen gegen die Krise

Jammern über die Krise, das Lamentieren über sinkende Absätze oder andere – coronabedingte-Probleme, das ist nicht wirklich das Ding der Vorarlberger. Lösungen sind gefragt. Also werden Ideen gesponnen und eine davon kurzerhand umgesetzt. Immerhin haben die Bauern früher auch ihre Laibe auf den Ochsenkarren gewuchtet und sind in die Stadt gezogen, um ihren Käse zu verkaufen. Also gingen sie nach Wien. Und brachten die Liebe mit. Die „Käsliebe“.

„Wir wissen, dass sich Vorarlberger Käse auch in Wien großer Beliebtheit erfreut, daher denken wir schon länger über einen Pop-up-Store nach“, so Alma-Bereichsleiter Christof Abbrederis. „Das heurige Jahr war auch für unsere Alpkäse-Lieferanten schwierig. Die Milch musste wie immer gemolken und der Käse produziert werden. Aufgrund von Corona gibt es aber eine geringere Nachfrage.“ Deshalb habe man sich entschieden, das Pop-up trotz der heurigen schwierigen Bedingungen durchzuführen. „Es geht uns dabei auch darum, in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit ein Zeichen zu setzen.“

Im Store gibt es nur 3 verschiedene Reifestufen. Der jüngste, quasi der „Heurige“ ist vom letzten Sommer. Eine Spur milder als seine Brüder, aber dennoch kraftvoll und ohne Frage ein spannendes Erlebnis am Gaumen. Dann der 2018er. Mit seiner zweijährigen Reife schon fast eine Rarität. Ausgesprochen würzig und intensiv. Der dritte im Bunde liegt genau dazwischen. Vom Alter her, also Sommer 2019, und auch von seinem Geschmacksbild her. Immer noch mild und jugendlich, aber auch schon mit den ersten kräftig-würzigen Noten der Reife.

Geplant ist Alma’s Pop-Up-Store erst einmal bis Ende Jänner. Es könnte aber auch sein, dass die Älpler länger bleiben. Das hängt ganz von den Wienerinnen und Wienern ab. Und von ihrer Käsliebe. 


Käsliebe
Lerchenfelder Str. 85–89
1070 Wien
Mo bis Sa, 10 bis 19 Uhr
kaesliebe.at

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