Warum Greenwashing legal sein kann

Der Finanzsektor ist der wichtigste Hebel für die Wende zu einer umweltfreundlichen Wirtschaft. Doch Gesetzeslücken und die Bewerbung von Finanzprodukten führen auch in diesem Bereich oft zu Greenwashing.

Von Herbert Ritsch

Finanzprodukte werden oft als nachhaltig beworben, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht sind. Das Phänomen des Greenwashings ist in der Finanzbranche weit verbreitet und dient dazu, interessierte Kunden anzulocken. Berater können die umweltfreundlichen Eigenschaften der von ihnen beworbenen Produkte übertreiben oder nur vage Informationen über sie preisgeben, was zu Missverständnissen führen kann. Generell lassen sich im Finanzbereich vier Typen des Greenwashings unterscheiden.

Subjektiv empfundenes Greenwashing
Eine Umfrage im Rahmen einer Studie der Arbeiterkammer Wien mit über 400 Befragten ergab, dass 50 Prozent der Teilnehmer ein Interesse an nachhaltigen Finanzanlagen haben, jedoch nur 20 Prozent dieses Thema bei Ihrer Bank aktiv ansprechen. Zwei Drittel der Befragten möchten mit ihren Investitionen einen messbaren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, während vier Fünftel eine Rendite erwarten.

Die individuellen Interpretationen von Nachhaltigkeit können die Beratung kompliziert gestalten. Für die Studie wurde ein Mystery-Shopping-Experiment bei über 40 Bankfilialen durchgeführt, das zeigte, dass ein höheres Wissen über nachhaltige Finanzanlagen die Beratung erschwert, während ein geringeres Wissen den Verkauf fördert.

Vorsätzliches Greenwashing
Vorsätzliches Greenwashing bedeutet, dass Unternehmen absichtlich ihre öffentlich verkündeten Nachhaltigkeitsprinzipien nicht umsetzen, um sich einen Vorteil am Markt zu verschaffen. Diese Form des Greenwashings ist schwer nachzuweisen, da Finanzinstitute sich juristisch „wasserdicht“ absichern. Einzig in der Kommunikation gelingt dies den Fondsgesellschaften nicht immer: ein Beispiel dafür ist der Fonds „Allianz Invest Konservativ“, der eines Tages in „Allianz Invest ESG Konservativ“ umbenannt wurde, ohne die Kunden darüber zu informieren.

Systemimmanentes Greenwashing
Die Ratingagenturen für den Kapitalmarkt zeigen nur geringe Differenzen in ihrer Beurteilung, während Nachhaltigkeitsratingagenturen signifikante Abweichungen in der Beurteilung der Nachhaltigkeit von Unternehmen aufweisen. Die ausschließliche Verwendung nur eines Nachhaltigkeitsratings (z. B.: MSCI ESG) kann daher leicht zu irreführender Vermarktung von nachhaltigen Fonds führen.

Finanzprodukte sind oft an wichtige Aktienindizes gekoppelt, da Fondsmanager ihre Leistung daran messen. Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung sind in diesen Aktienindizes stark vertreten und werden fast immer sowohl in herkömmlichen als auch in nachhaltigen Fonds berücksichtigt. Deshalb finden sich in den meisten nachhaltigen Fonds immer die gleichen Schwergewichte wie Microsoft, Amazon, Alphabet, Apple usw. Den Kunden kann oft nicht plausibel erklärt werden, was diese Konzerne wirklich mit Nachhaltigkeit zu tun haben.

Strukturelles Greenwashing
Laut der EU-Offenlegungsverordnung müssen Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor die Nachhaltigkeit ihrer Produkte transparent darlegen. Die Klassifizierung in Artikel 8 (hellgrüne Fonds) oder Artikel 9 (dunkelgrüne Fonds) wird dabei eigenständig von Fondsgesellschaften vorgenommen. Es ist möglich, dass Artikel 8 Fonds nur einen sehr geringen Anteil an nachhaltigen Wertpapieren in ihrem Portfolio enthalten, weil der europäische Gesetzgeber dafür keine konkreten Vorgaben gemacht hat.
Bei Fonds, die unter Artikel 9 fallen und als „besonders nachhaltig“ beworben werden, besteht das Risiko, dass sie als sogenannte „Impact Fonds“ verkauft werden, welche gezielt in Unternehmen investieren, die einen messbaren positiven Einfluss auf Umwelt- und Sozialbelange haben. Eine Studie der Universität Hamburg von 2022 hat allerdings ergeben, dass nur ein Drittel dieser Artikel 9 Fonds die Bezeichnung „Impact Fonds“ tatsächlich verdient.

Viele weitere regulatorische Feinheiten können zu einer verzerrten Wahrnehmung der Nachhaltigkeit eines Finanzprodukts führen. So können Unternehmen, die mit fossilen Energien wirtschaften, bis zu einer gewissen Umsatzgrenze in nachhaltigen Fonds enthalten sein, ohne dass das transparent offengelegt werden müsste. Fonds, die vorgeben, komplett frei von Kohle, Öl oder Gas zu sein, können Kunden daher irreführen. Außerdem ist es zwar verboten, in Anleihen von Staaten mit Todesstrafe oder Atomkraftwerken zu investieren, jedoch erlaubt, in staatseigene Unternehmen zu investieren.

Zusammengefasst zählt ausschließlich die Meinung der Kundinnen und Kunden, um einen Kauf eines nachhaltigen Finanzprodukts abzuschließen. Die eigenen Sichtweisen der Finanzinstitute und die Vorgaben der EU spielen dabei eine sekundäre Rolle. Wenn es den Finanzberatern nicht gelingt, die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Verbraucher und den tatsächlichen Eigenschaften des angebotenen nachhaltigen Finanzprodukts während der kurzen Beratungszeit zu klären, besteht stets das Risiko einer irreführenden Darstellung, und damit des Greenwashings, unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit. 


Herbert Ritsch ist seit 2021 akkreditierter Prüfer des österreichischen Umweltzeichens für Finanzprodukte (UZ-49). Mit seiner Firma ESG Solutions berät er Unternehmen und Investoren bei der nachhaltigen Geldanlage.


Teilen auf:
Facebook Twitter