Weg vom Anti- und hin zum Well-Aging: Die neue Ära des Alterns

Foto Angela Lamprecht

Von Bibi Rhomberg

Alle wollen alt werden, aber niemand will es sein – ein absurder Widerspruch, der viel Leid mit sich bringt, wenn wir uns nicht mit unserer Haltung zum Altern auseinandersetzen.
In meinem Job erlebe ich oft Frauen, die sich über die Zeichen des Alterns beschweren: Falten, hängende Lider, schlaffe Haut. Sie hoffen, Abhilfe in Form eines Kosmetikprodukts bei mir zu finden, und sind erst einmal enttäuscht, denn das habe ich nicht. Natürlich gibt es Möglichkeiten, mit Produkten und Techniken kurzfristig zu mehr Glow und Frische zu kommen, aber aufhalten können wir den natürlichen Alterungsprozess nicht.

Die Anti-Aging-Industrie ist millionenschwer und ihr Lockvogel ist die Angst vor der Vergänglichkeit der Jugend, vor allem bei Frauen. Doch warum sitzt diese Angst so tief?
1972 veröffentlichte Susan Sontag den Essay „The Double Standard of Aging“ über das unterschiedliche Altern von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft. Demnach verblüht die Frau und der Mann reift. Frauen werden in der Regel über ihr Äußeres bewertet, Männer über ihren Status.

Die Geschichte gibt noch weitere Gründe für die kollektive Angst vor dem Altern bei Frauen preis: In der Zeit der Hexenverfolgung waren zwei Drittel aller Frauen, die ihr zum Opfer fielen, über 40 Jahre alt. Und auch bei den römischen und griechischen Philosophen kommen ältere (besonders alleinstehende), nicht mehr fruchtbare, ebenso selbstbewusste und unabhängige Frauen nicht gut weg.

Aber man muss nicht so weit in die Vergangenheit zurückgehen: Unlängst wurde Sarah Jessica Parker in den sozialen Medien mit unschönen Kommentaren zu ihrem älteren Erscheinungsbild attackiert, während ihre männ-
lichen Schauspielkollegen mit jedem grauen Haar als noch attraktiver gefeiert werden.

Es ist wohl an der Zeit, dass wir umdenken und dem Alter(n) mit Gelassenheit und Dankbarkeit entgegenblicken. Bei der Well-/Pro-Aging-Bewegung geht es darum, das Älterwerden liebevoll anzunehmen, anstatt sich verzweifelt gegen den natürlichen Lauf der Zeit zu wehren. Es ist die Kunst des guten Alterns: sich in seiner Haut wohlzufühlen und einen achtsamen Umgang mit seinem Körper sowie einen gesunden Lebensstil zu pflegen. Unverkrampft. Im Fokus steht dabei aber nicht das ewig jugendliche Aussehen, sondern die Qualität des Lebens selbst. Jede sichtbare Spur der Jahre an unserem Körper wird vielmehr als Gewinn und Erinnerung an ein lebendiges Leben gesehen.

Aktuelles zum Thema
Elke Heidenreich: Altern. Alle wollen alt werden, niemand will es sein. Ist das nicht absurd?, Hanser Berlin 2024
Gladys McGarey: The Well-Lived Life. A 102-Year-Old Doctor’s Six Secrets to Health and Happiness at Every Age, Atria Books 2023
Andrea Sokol: Well-Aging – jung sein kannst du immer. Droemer Knaur 2023
BBC-Podcast „Witch“, 8. Hag. In englischer Sprache, bbc.co.uk/programmes/p0fpbv4q
Janna Scharfenberg: Workshop „The Art of Aging Well“. drjannascharfenberg.com/the-art-of-aging-well/


Als Clean Beauty Coach legt Bibi Rhomberg den Fokus auf Nachhaltigkeit und kombiniert ihre Leidenschaft für bewusste Schönheitspflege mit Fachwissen als Make-up-Artist und Yogalehrerin. Ihr Konzept „Beauty Inside Out“ stärkt die innere Schönheit und inspiriert zu einem bewussteren Lebensstil.


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