Wenn einer sein Holz liebt
Von Kurt Bereuter
Foto: Aus dem 350 Jahre alten Stall wurde Wohnraum: sägeraue Bergholz-Weißtanne mit Stiegentritten aus dem Altholz des Stalles. Foto Bruno Klomfar
Gottlieb Kaufmann stammt schon wie sein Vater aus Buchboden im Biosphärenpark Großes Walsertal. Und wie seinen Vater prägt ihn die Liebe zu Holz, und ganz besonders die zum Holz in seiner und seiner Väter Heimat, dem Großen Walsertal. Während sein Vater noch die Wagnerei lernte, dann weitum geachteter Holzakkordant, also Holzfäller war, selber Holz einsägte und sich dann bei der Lawinenverbauung im Tal verdient machte und in der Pension zum Schindelmacher wurde, verschlug es den jungen Sohn schon mit 9 Jahren zu Verwandten auf einen Bauernhof nach Lauterach. Für seine Mitarbeit am Hof erhielt er dort freie Kost und Logis – auch dann noch, als er mit 16 Jahren in Hard in einer Tischlerei seine Lehre machte. In den 70er-Jahren wurde im Möbelbau fast nur mit Spanplatten gearbeitet, nur im Fenster- und Türenbau wurde mit Massivholz gearbeitet. Und dort stellte sich bald heraus, dass keiner das Holz so gut kannte wie Gottlieb und deshalb erhielt er dort schon als Lehrling die Aufsicht über das Massivholzlager. Für ihn sei immer schon klar gewesen, dass er selbstständiger Schreiner werden wollte und er verspürte auch immer den Drang nach Hause in sein geliebtes Tal. Zuvor arbeitete er aber noch in der Schweiz im Innenausbau von Eisenbahnwaggons und Segelflugzeugen. Von einem ehemaligen Walser, der dort beschäftigt und Spezialist für Intarsien war, habe er dann noch viel über Holz und seine besonderen Herausforderungen und Eigenschaften gelernt, bevor er mit nur 20 Jahren die Meisterprüfung ablegte und schon als Spezialist für edle Holzoberflächen geschätzt war. Aber nur „dahem isch dahem“ (nur daheim ist daheim) und so zog es ihn zurück ins Tal, wo seine Familie mittlerweile in Blons ansässig geworden war. Im kleinen und engen Tal erkannte er nicht nur den Bedarf für eine Schreinerei, sondern auch das Mitarbeiterpotential für Auszubildende, und so „stampfte“ er am Hof an einem steilen Hang oberhalb von Blons eine kleine Werkstatt aus dem Boden. Als diese zum ersten Mal erweitert werden sollte, verweigerte ihm seine damalige Bank die Finanzierung, weil „man auf diesem Bühel“ keinen Betrieb bauen könne. Erst als sein Vater mit Grund und Boden bürgte, floss auch die Finanzierung für die Tischlerei „am Bühel“, wo sie bis heute steht und auch weiter erweitert wurde.
Sein persönlicher Wendepunkt
1984 wurde im Tal die erste Ausstellung des Handwerks organisiert und Gottlieb Kaufmann war mit einer Küche mit Massivholzfronten vertreten, übrigens mit Eschenholz, die er dann in Folge sicher dreißigmal verkauft habe. So begann er im Tal eingeschlagenes Holz zu kaufen, einschneiden zu lassen und auf Lager zu legen. Vor 30 Jahren investierte er in eine Trocknungsanlage und als Komplettanbieter stieg er auch in die Fenster- und Türenproduktion ein, was wiederum ein größeres Lager an Holz mit sich brachte. Die erste Automatisierung im Betrieb erfolgte im Bereich der Massivholztischlerei und der nächste Erweiterungsschritt war schon finalisiert, als er bei einem heftigen Sturm Bleche auf dem Lagerdach befestigen wollte und samt diesen vom Dach gefegt wurde. Die Bergrettung brachte ihn mit Wirbelbruch ins Krankenhaus und im Krankenbett habe ein Umdenkprozess stattgefunden. Er hätte es übertrieben gehabt, sich überfordert und dann komme der Einbruch. Fortan wollte er sich spezialisieren, auf den Wert von Holz eingehen und den Kunden den Wert von heimischem, langsam gewachsenem Holz aus den Bergen näherbringen. Zeitgleich startete ein Projekt „Weißtanne“, die früher fast verschmäht wurde und doch vor der Haustüre wuchs und oft von hervorragender optischer Qualität ist. In einem Marketingprozess wurde ihm klar, dass er seinen Standort in den Bergen als USP mitverkaufen müsse, in einer Zeit, in der das regionale Produkt an Stellenwert gewann. Die Massivholztischlerei mit heimischem Holz aus dem Großen Walsertal war geboren.
Der Wendepunkt im Tal zum „Bergholz“
Der nächste Wendepunkt wurde dann geradezu ins Tal hineingetragen, von einem deutschen Augenarzt, der bereits bei einem bekannten Salzburger Holzhausanbieter ein Haus geordert hatte und diesen Auftrag inklusive Pönale stornierte, weil ihm nicht garantiert werden konnte, dass das Holz für sein Haus aus der Region stamme. Und da dieser Arzt im Großen Walsertal einen Förster kannte und seine Arbeit schätzte, und von ihm das Holz aus dem Tal für sein Haus kaufen wollte, wandte sich dieser an den heimischen Zimmerer Edelbert Heiseler. Dieser sollte ihm das Haus inklusive Türen, Fenstern und dem Holzinnenausbau samt den Möbeln aus dem Walsertaler Bergholz bauen und liefern. Als Zimmerer brauchte er dafür aber nicht nur das Vertrauen, sondern auch Partner: vom Sägewerk über den Tischler bis zum Stiegenbauer. Mit einem Jahr Vorlaufzeit entstand für dieses Haus eine Kooperation rund um fünf Betriebe im Tal, die dem Arzt genau das Ökohaus aus Großwalsertaler Bergholz lieferten, das er sich wünschte: vom Sturm Lothar mondphasengerecht „geschlagen“, im Tal nach den jeweiligen Anforderungen eingeschnitten, optimal wohnbiologisch gefertigt und als Massivholzhaus mit 18er-Balken. Damals lernten diese Betriebe in der Zusammenarbeit nicht nur den gemeinsamen Erfolg mit einem sehr zufriedenen Kunden kennen, sondern auch den Wert ihres Holzes aus dem Großen Walsertal, das genau zu dieser Zeit auch von der UNESCO zur Modellregion „Biosphärenpark“ zertifiziert wurde und auf nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise setzt. Eine „Philosophie“, die genau dem von Bergholz entsprach und ein Zusammengehörigkeitsgefühl im Tal mit sich brachte. Die Kooperation schrie förmlich nach Fortsetzung und mit einem externen Berater begründeten dann diese Betriebe zusammen mit dem Vertreter des Forstes und der sechs Gemeinden des Tales das Projekt „Bergholz“, das heuer auf eine zwanzigjährige Erfolgsgeschichte blicken kann. Im Vordergrund steht, neben der Kooperation der Betriebe, ihr Bergholz aus dem Tal und die Wertschöpfung im Tal durch die Betriebe und deren qualifizierte Mitarbeiter aus dem Tal, wo Handwerk noch großgeschrieben wird und Vertrauen auf Handschlag beruht. Mit Architekt Bruno Spagolla konnten dann große kommunale Bauten mit und durch Bergholz errichtet werden und dabei stand stets die Verwendung von heimischem Holz zuoberst. Und mit dem sollte nicht gegeizt werden. Massive Holzteile und traditionelle Handwerkstechniken gingen Hand in Hand und öffentlichkeitswirksame Bauten im Tal, wie zuletzt die Propstei St. Gerold, vertrauten auf „ihr“ Bergholz und auf die Kooperation der Bergholz-Betriebe vor Ort. Daneben vermarkteten sich die Betriebe gemeinsam unter dem geschützten Markennamen „Bergholz aus dem Biosphärenpark Großes Walsertal“, besuchten gemeinsam Messen und investierten in Weiterbildung zu verschiedensten Themen. Mit Architekt Reinhold Hammerer hat die Gruppe wieder einen Experten für die Holzarchitektur gefunden, der neben der Hausarchitektur sich auch auf die Innenarchitektur mit Holz bestens versteht und für Bergholz den Messestand plante, der nun als Bergholz-Turm in Sonntag bald als Teil der Biosphärenpark-Ausstellung eröffnet wird und Einblicke in die Philosophie, Geschichte und Leistung von Bergholz geben wird. Ein Eyecatcher, der die Kooperation von Biosphärenpark und Bergholz verkörpert und in seinem Inneren nicht nur Einblicke in das Bergholz-Projekt gewährt, sondern auch den Blick in den Himmel mit einem anmutigen Ambiente und Lichtspiel verbindet. Für Gottlieb Kaufmann und seine Bergholz-Partner steht er weiter für die Liebe zu ihrem Holz, der handwerklichen Kreativität, der Kooperation im Tal und letztlich als unübersehbares Zeichen – fast wie ein Finger, der es aufzeigen will – Hier sind Menschen, die ihre Heimat und ihren Wald lieben und schätzen und daraus langlebige, nachhaltige und wertbeständige Holzprodukte schaffen: vom Bergholz-Haus über die Sanierung bis zu hochwertigsten Möbeln aus Bergholz aus dem Biosphärenpark Großes Walsertal. /