„Wenn wir es nicht versuchen, dann werden wir es nie herausfinden“

Die „Sista“ und ihr Bruder, die heute gemeinsam das Weingut führen: Stefanie und Georg Renner.

Nach diesem Motto übernahmen die Schwestern Stefanie und Susanne Renner 2015 das Weingut ihrer Eltern im Burgenland. Unter dem Label „Rennersistas“ zogen sie mutig und konsequent ihr „eigenes Ding“ durch. Setzten dabei ganz auf den Rhythmus der Natur. Gingen eigene Wege. Es entstanden neue Weine mit tollem Charakter. 2020 stieg ihr Bruder Georg ein und Susanne aus. Es ist die Geschichte eines gelungenen Generationenwechsels.
Text Roger Knabenhans, Fotos Angela Lamprecht

Die Jahre 2012 und 2013 beschäftigten Birgit und Helmuth Renner nicht nur im Weinberg und im Keller. Es war die Zeit, in der sie sich intensiv Gedanken darüber machten, wie es mit dem Familienbetrieb in Gols nach der Pension von Birgit Renner ab September 2014 weitergehen soll. Anders als bei vielen Winzerfamilien üblich, war die Übernahme durch die nächste Generation nicht vorgezeichnet. Im Gegenteil: Bei den Renners schien das gängige Szenario weit entfernt. Die drei Kinder durften sich ohne Druck und Erwartungen der Eltern frei entfalten und eigene Wege gehen. Susanne studierte Mode, Stefanie Kulturtechnik und Wasserwirtschaft. Georg hat zwar als logischen Einstieg in den traditionellen Weg die Weinbauschule in Eisenstadt, kombiniert mit der Handelsakademie in Neusiedl, absolviert. Nach dem Abschluss ist er jedoch in eine andere Richtung abgebogen und studierte Wirtschaftsinformatik.

Also dachten die Renners über einen Verkauf nach und ließen diese Option 2013 beim Nachwuchs leise anklingen. Damit begann insbesondere bei den beiden Schwestern ein Denkprozess. Für sie ist das Weingut nicht nur mit vielen schönen und fröhlichen Kindheitserinnerungen verbunden. Es ist ihr „Nest“. Ein prägender Teil ihres noch jungen Lebens. Die Oma wohnt da. Sie, die mit dem Großvater zusammen alles aufgebaut hat. Und es ist das Lebenswerk ihrer Eltern, das diese seit 1988 mit Leidenschaft, sicherem Instinkt, handwerklichem Können und dem Respekt vor der Natur erschaffen haben. Das alles soll verkauft werden? Für Stefanie und Susanne Renner war klar, dass sie das nicht verantworten wollten. Es habe sich nicht richtig angefühlt.Zu jener Zeit wohnten die beiden zusammen in Wien. Susanne arbeitete in der Modebranche und Stefanie studierte. Mit dem Gedanken der Nachfolge im Hinterkopf fingen sie an, Wein zu verkosten. Vor allem Naturwein. Inspiriert auch von Carl Preisinger, einem der Pioniere in der österreichischen Naturweinszene. Sie haben sich mit der Zeit immer intensiver mit Wein beschäftigt. Viel probiert. Die Weinakademie im Palais Coburg besucht und festgestellt, dass sie die konventionellen Tropfen nicht berühren: mittlere Farbe, mittlerer Körper, uniform, standardisiert. Sie waren von Haus aus naturverbunden. Ihr Vater produzierte seit 2009 organisch-biologisch. Ihre Mutter ist eine Vollblut-Weinbäuerin, die sich mit viel Liebe um die Weingärten kümmerte und dabei Wert auf die Zyklen der Natur legte. So entstanden einzigartige, eigenständige Weine. Stark beeinflusst waren sie auch von den Winzerinnen und Winzern der Pannobile-„Familie“, wie sie diese nennen. Heute produzieren deren acht von neun Mitgliedern biodynamisch. Somit war klar: „Wenn wir das Weingut übernehmen, dann machen wir das genau so.“

2013 absolvierte Stefanie Renner in Eisenstadt ein Praktikum, wohnte wieder daheim in Gols und kurz vor Ostern schoss es ihr spontan in den Kopf: „Ich mache das jetzt einfach.“ Als sie den Entscheid nach dem Abendessen den Eltern mitteilte, war die Mutter euphorisch, freute sich sehr. Der Vater war skeptisch und knapp: „Na, ja, reden wir morgen darüber.“ Am nächsten Tag kamen Zweifel auf und die Frage: „Habe ich jetzt einen Blödsinn gemacht?“ Doch nach einer Nacht darüber schlafen sah sie es glasklar. Und war dabei mit Schwester Susanne auf einer Linie: „Das Bauchgefühl sagt: Ja. Keine Ahnung, was daraus wird, aber wenn wir es nicht versuchen, dann werden wir es nie herausfinden.“

2014 schloss Stefanie Renner ihr Studium ab und begann anschließend ihr erstes Praktikum in Südfrankreich bei Tom Lubbe auf der Domaine Matassa. Es folgten zwei weitere Praktika bei Johan Meyer, Swartland, Südafrika und bei Tom Shobbrook, Barossa Valley, Australien. Diese Erfahrungen waren essenziell und öffneten Stefanie Renner die Augen für die natürliche Weinproduktion. Vieles, was sie insbesondere auch in Frankreich gelernt hat, bildet heute die Basis für die Arbeit auf dem Weingut. So veränderte sie zum Beispiel den Rhythmus der Weinlese. Die Ernte ist der Höhepunkt im Weinjahr. Und eine emotionale Achterbahnfahrt. Schön und gleichzeitig verrückt. Sehr anstrengend. Und trotzdem macht sie Spaß. Bei Renners fängt sie Mitte August an und dauert rund sechs Wochen. Im Weinberg wird bis Mittag gelesen und selektiert. Der Hitze wegen. Und der Qualität. Gewollt sind kühler wirkende, frische und leichtfüßige Weine. Keine opulenten, fetten mit zu viel Alkohol. Nach einem gemeinsamen Mittagessen folgt die Verarbeitung. Die Helfenden, viele aus der Familie, machen alles zusammen. Es wird großen Wert auf einen guten Rhythmus und gute Stimmung gelegt.Der 22. August 2015 war ein wichtiger Tag im Leben der Renner Sistas. Es war der Start der ersten Ernte. Die Eltern schüttelten den Kopf: „Seid ihr deppert?“ Stefanie Renner hatte Tom Lubbe in den Ohren: „Fang ja nicht zu spät mit der Lese an. Sonst kriegst du fette Weine.“ Die Sistas machten mit den Eltern einen Deal: Eine Lesebox mit je 300 Kilo Chardonnay, Welschriesling, Weißburgunder, Zweigelt, Pinot. Ergibt je ein Barrique Wein. Die Eltern waren dem Experiment gegenüber sehr offen. „Damit könnt ihr euer Ding machen.“ Am Tag der Blindverkostung fand Helmuth Renner, dass sich die Weine als Cuvée-Partner durchaus eignen würden. Eine frühe kombiniert mit einer späten Ernte. Die Pannobile-„Familie“ fand die „Versuche“ irrsinnig spannend.

Stefanie, Georg und Helmuth Renner

Ein wichtiger Faktor für den gelungenen Generationenwechsel war das schrittweise Vorgehen. Die Stilistik der Renner-Weine hat sich nicht abrupt verändert, sondern in einem Prozess über Jahre. Die Eltern produzierten bereits organisch-biologisch. Mit Spontangärung. Helmuth Renner machte bereits 2012 Tests mit Chardonnay: 50 Prozent ganze Trauben, 2 Wochen maischevergoren, ohne Schwefel. Er hat nie „mit Schulbuch“ gearbeitet und trotzdem blieb es beim Experiment. Die Schwestern haben von Anfang an natürliche Methoden angewendet, von den Naturweinpionieren gelernt und dieses Wissen konsequent umgesetzt und weiterentwickelt.2020 war wieder ein Schlüsseljahr beim Generationenwechsel der Renners. Georg, der jüngere Bruder, stieg in den Betrieb ein. Die Sistas hatten ihn schon zweimal gefragt. 2015 beim Start und 2017 nach Abschluss seines Studiums. Die Zeit war zweimal nicht reif. Beim dritten Mal ergriff er die Initiative. Nach einem gemeinsamen Abendessen war der Einstieg besiegelt. Er kündigte seinen Job in einer Logistikfirma und startete mitten in der Pandemie. Für Susanne Renner war es eine Erleichterung, denn sie und Claus Preisinger erwarteten ihr zweites Kind. Eine Herkulesaufgabe: 100 Prozent Rennersistas – 100 Prozent Mutter – 100 Prozent Familie. Da sich die beiden Schwestern bei der Übernahme des Weinguts versprochen hatten, sich niemals im Stich zu lassen, konnte sie, wenn auch schweren Herzens, nach dem Einstieg ihres Bruders mit gutem Gewissen loslassen. Sie wird immer Teil der Rennersistas sein. Dokumentiert auch im Logo: zwei Frauen und ein Mann mit Traktor.

Stefanie und Georg treffen auch in der Vermarktung den Geschmack der Zielgruppe.

Seit 2021 führen Stefanie und Georg Renner das Weingut unter dem Namen „Renner & rennersistas“ gemeinsam und entwickeln es kontinuierlich und nach höchsten Qualitätsansprüchen im Rhythmus mit der Natur weiter. Als ich am Tag nach dem Gespräch mit Helmuth Renner zum Weinkeller ging, sagte er zu mir: „Weißt du, die müssen ihren eigenen Weg gehen. Genau wie Birgit und ich unseren Weg gegangen sind. Und wenn sie meinen Rat brauchen, dann bin ich gerne da.“ 
rennerundsistas.at


Pannobile
„Pannobile“ ist eine Vereinigung von neun Winzerinnen und Winzern in Gols im Burgenland. Sie wurde 1994 gegründet – unter anderem von Helmuth Renner. An einem Winzerstammtisch entstand die Idee, aus heimischen Rebsorten charakterstarke Weine zu produzieren und dabei die eigene Beschaffenheit der Böden und des besonderen Klimas am Neusiedler See zu nutzen. Die hohe Qualität spiegelt sich jedes Jahr in einer Holzkiste wider, die von jedem Weingut einen Wein enthält, der den Ansprüchen jedes einzelnen Mitglieds Rechnung trägt. www.pannobile.com


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