Wie gesponnen, so gewonnen

Ästhetik und Abfallverwertung: längst kein Widerspruch mehr. Seit über einem Jahrzehnt verwebt auch das Vorarlberger Traditionsunternehmen „David Fussenegger“ recycelte Garne zu stilvollen Heimtextilien.
Text Simone Fürnschuß-Hofer, Fotos Angela Lamprecht

Noch vor wenigen Jahren rümpfte manch einer beim Wort Textil-Recycling empfindlich die Nase, dachte eher an Putzlappen als an Kuscheldecken. Erstklassiges Design und Wiederverwertung, das ging nicht so recht zusammen. Umso erstaunlicher, dass im hochwertigen Heimtextilien-Sortiment der Vorarlberger Marke „David Fussenegger“ fast ausschließlich Fasern aus Reststoffen stecken, die statt in die Abfalltonne zurück in den Produktionskreislauf gewandert sind. Global gesehen vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, zeigt es doch, was mit neuem Denken und innovativen Technologien möglich ist. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich laut Bundesumweltamt die Produktion von Textilfasern in den vergangenen zwei Jahrzehnten weltweit verdoppelt hat.

Baumwoll-Fasern herzustellen verschlingt große Mengen an Wasser und Energie, die dabei ein- und freigesetzten Chemikalien verschmutzen zudem die Gewässer. Der ökologische Fußabdruck des Textilsektors ist insgesamt enorm. Seit über einem Jahrzehnt setzt das Traditionsunternehmen „David Fussenegger“ deshalb auf Baumwollgarne aus wiederverwerteten Fasern. „Mittlerweile haben wir eine Recyclingquote von insgesamt 95 Prozent erreicht“, so Jürgen Spiegel, einer der beiden Geschäftsführer, „nur bei Rohstoffen wie Biobaumwolle und Bambusviskose suchen wir noch Lösungen.“ Zertifikate wie GRS, GOTS und ÖKO-TEX, alles Standards für eine nachhaltige, sozial- und umweltverträgliche sowie schadstoffgeprüfte Produktion, bestätigen den eingeschlagenen Weg. Ihr Beitrag zur Kreislaufwirtschaft sei die logische Folge einer Haltung, die das Unternehmen seit jeher präge, erläutert Gottfried Wohlgenannt, zweiter im Bunde: „Ressourcen zu verschwenden, war bei uns immer schon ein Tabu. Fortgeworfen wird in unserem Haus nichts, jede Schraube wandert ins Ersatzteillager. Manches Teilchen, das es sonst nirgends mehr gegeben hätte, haben wir schon in unseren eigenen Beständen gefunden.“

Zerlegt und gekämmt
Wie kann ich nun sicher sein, dass im Zuge des Baumwoll-Faser-Recyclings nicht die Unterhosen von Hinz und Kunz in meiner Sofadecke landen? Amüsement beiseite, natürlich sei das eine ernst zu nehmende Frage, die Sorge jedoch unbegründet, meint Spiegel. Er holt aus: „Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfällen. Unsere Garnlieferanten – Spinnereien in Italien und Spanien – sammeln ausschließlich hochwertige Schnitt-
abfälle aus der textilen Produktion, um sie wieder zu Garn zu verarbeiten. Getragene Kleidungsstücke, also Post-Consumer-Abfälle, werden in unserem Kreislauf nicht verwertet.“ Die auf dieses textile Recyclingverfahren spezialisierten Betriebe sortieren in einem ersten Arbeitsgang alle hereinkommenden Stoffreste nach Farben und pressen sie dann zu großen Ballen, sogenannten Clips. Auf rein mechanischem Weg werden diese Clips wieder in einzelne Fasern zerlegt, die gekämmt und zu neuem Baumwollgarn versponnen „ein zweites Leben“ erhalten. Unterschiedliche Farben entstehen dabei ausschließlich durch das Mischen der Farbclips, was wiederum chemische Zusätze erübrigt und Abwässer verhindert. Auch an der eigenen Produktionsstätte in Altach muss nichts zusätzlich eingefärbt werden. Jürgen Spiegel: „Als Buntweber, genauer gesagt Jacquard-Buntweber, erzeugen wir mit unterschiedlichen Garnfarben all jene Muster, die von unseren Designerinnen entworfen werden.“ Fünf Kollektionen kommen pro Jahr aus der hauseigenen Designstube – für rund 800.000 Meter Stoff, der zu den charakteristisch flauschigen Decken, Kissenhüllen, Teppichen und mehr verarbeitet und in alle Welt versendet wird.

Spannendes Detail: Für das textile Finish werden die Webwaren samtweich geraut. „Das macht unsere Stoffe aus. Erst wenn sie mehrfach die Raumaschine mit zig kleinen Metallkratzen durchlaufen haben, haben sie diesen unverwechselbaren feinen, kuscheligen Wohlfühl-Touch“, so Wohlgenannt. Heute punktet man vor allem mit Ästhetik und Haptik, die Menschen wollen emotional angesprochen werden, während es früher allein um den Nutzen ging. Bis circa 1985 bestritt man bei „David Fussenegger“ das Hauptgeschäft mit dem Verkauf von Leintüchern, Bettwäsche und Windeln. Das bedurfte vieler tausend Meter Flanellstoff, der haltbar sein und vor allem zu Zeiten unbeheizter Schlafzimmer wärmen musste.

Textil-Zertifizierungen im Überblick:

GRS (Global Recycled Standard): Standard für Recyclingprodukte, der die gesamte Lieferkette, vom Rohstoff bis hin zur Verarbeitung der Endprodukte, berücksichtigt.
GOTS (Global Organic Textile Standard): Zertifikat für eine umwelt- und sozialverträgliche Herstellung von Produkten aus Biobaumwolle, ebenfalls entlang der gesamten Lieferkette.
Standard 100 by OEKO-TEX: garantiert eine umfassende Prüfung auf Schadstoffe.

Fussenegger mal sieben
Gegründet wurde das Unternehmen vom damals 24-jährigen Dornbirner David Fussenegger. Das war 1832, bereits drei Jahre später war er der drittgrößte Arbeitgeber in Vorarlberg. Die bald zweihundertjährige Geschichte des Unternehmens schreibt sieben Generationen lang die Familie Fussenegger. Bis 2011 Klaus Ladstätter-Fussenegger den Betrieb anlässlich seiner Pensionierung in die Hände der beiden langjährigen Mitarbeiter Jürgen Spiegel und Gottfried Wohlgenannt übergibt. Was in der Zeitleiste auf der Webseite knapp und sachlich vermerkt ist, hat den beiden heutigen Geschäftsführern einiges an Emotion und Entscheidungsmut abverlangt. Man erinnere sich: Kurz davor beutelte die Finanzkrise den europäischen Markt und auch die Textilbranche war alles andere als eine sichere Bank. Dann noch der Wechsel von der Angestelltenebene in die Führungsetage. Stoff genug für ein paar schlaflose Nächte. Jürgen Spiegel erinnert sich noch gut: „Natürlich hat mir der eine oder andere im Freundeskreis wohlmeinend den Vogel gezeigt, aber wir haben aller Unkenrufe zum Trotz an das Textile geglaubt und die Firma schlussendlich gekauft.“
Drastisch steigende Mietkosten am ehemaligen Standort Dornbirn führten die Buntweber 2013 zu ihrem jetzigen Areal nach Altach. Rückblickend habe alles seinen Sinn, lasse sich doch dort besser und nachhaltiger denn je Zukunft gestalten: „Wir haben in eine ordentliche Photovoltaikanlage investiert, die fast 30 Prozent unseres Energiebedarfs deckt. Und mit modernisierten Klima- und Absauganlagen gute Arbeitsbedingungen geschaffen.“ Selbst aus bescheidenen Verhältnissen kommend, sind sich die Geschäftsführer ihrer sozialen Verantwortung bewusst: „Als Dienstgeber für 45 Familien fühlen wir uns für 120 bis 150 Menschen mitverantwortlich. Auch das war ein Beweggrund, weiterzumachen, als wir damals vor die Frage gestellt wurden, ob wir übernehmen oder die Firma eingestampft wird.“ Wer wagt, gewinnt. „Ja, wir haben das Richtige getan“, sind sich die beiden Geschäftsführer einig. Und sie sagen es ohne große Pose. Eher mit der leisen Zufriedenheit jener Menschen, die dankbar sind, eine große Mutprobe bestanden und die richtigen Weichen gestellt zu haben.


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