Wir glauben an das Gute im Essen

Nachhaltiger Fischfang und zukunftsfähige Tiefkühlprodukte vom Bodensee.
Von Jürgen Schmücking

Followfood ist ein Unternehmen, das aus Überzeugung permanent in die Vergangenheit und in die Zukunft gleichermaßen blickt. In die Vergangenheit, weil die Themen Herkunft und Rückverfolgbarkeit zentrale Werte des Unternehmens sind. So wichtig, dass für die Sicherstellung dieser Rückverfolgbarkeit sogar ein eigenes Verfahren erfunden wurde: der Tracking Code. Der Thunfisch wird vor den Malediven mit traditionellen Angelruten gefangen, die Black Tiger-Garnelen von vietnamesischen Kleinbauern gezüchtet, für die keine Mangrovenwälder abgeholzt werden und der Zander – der Fisch mit dem alles begann – kommt immer noch vom russischen Iriklinskoye Stausee nahe der kasachischen Grenze. Die dortigen Fischer hat followfood übrigens auf ihrem (steinigen) Weg zur zertifizierten nachhaltigen Fischerei begleitet. Der Blick des Unternehmens ist nämlich wie gesagt auch nach vorne, in die Zukunft gerichtet. Weil Nachhaltigkeit einen ebenso hohen Stellenwert hat wie die Rückverfolgbarkeit. Und weil die beiden Aspekte ohnehin kaum voneinander zu trennen sind. Wir haben uns mit Julius Palm, Director of Sustainability and Innovation unterhalten, über die Vergangenheit und die Zukunft von followfood.

Julius Palm

Herr Palm, danke für das Gespräch! Lassen Sie uns mit einem brandaktuellen Thema beginnen. Im Moment läuft auf Netflix die Doku „Seaspiracy“ über die zerstörerischen Folgen des industriellen Fischfangs auf das Ökosystem Meer. Auf Social Media wird der Film intensiv diskutiert, diverse Tierschutzorganisationen nutzen ihn als Argument, um Stimmung gegen den Verzehr von Fisch generell zu machen. Spürt followfood das beziehungsweise wirkt sich die Diskussion konkret auf die Umsatzzahlen aus?
Wir bekommen vermehrt Anfragen seit die Doku läuft und das finden wir gut. Wir brauchen weiter ein verschärftes Bewusstsein und eine intensive Diskussion, wie stark nach wie vor unsere Meere überfischt werden. Auf unseren Umsatz wirkt sich die Dokumentation aber nicht aus.

Die Bilder der Dokumentation sind eindrucksvoll und bleiben in Erinnerung. Sie treten mit dem Anspruch auf, die nachhaltigsten Fischprodukte der Welt zu produzieren. Wie erreichen Sie dieses Ziel? Worauf achten Sie dabei?
Ja, die Bilder bleiben im Gedächtnis. Das ist auch gut so, weil das Thema immer noch mehr Aufmerksamkeit braucht. Doch so gut die Aufmerksamkeit ist, die Kritik an der Dokumentation nimmt zu. Denn die Verallgemeinerung der Dokumentation und die irreführende Kritik am Marine Stewardship Council (MSC) ist gefährlich. Denn es macht einen Unterschied, ob man aus nachhaltiger Fischerei Fisch kauft oder nicht. Und ja, nachhaltige Fischerei ist möglich. Gerade der MSC ist hier eine wichtige Absicherung nachhaltiger Standards. Natürlich kann und muss man noch viel in Sachen Meeresschutz verbessern. Wir sollten jedoch aufpassen, dass man bei Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht den Eindruck hinterlässt, dass die Nachhaltigkeitssiegel nichts wert sind. Das wäre kontraproduktiv. Aus unserer Sicht ist das MSC-Siegel die strengste offizielle Währung, die es bei nachhaltigen Fischprodukten gibt und ein riesiger Fortschritt im Vergleich zu den jeweiligen länderspezifischen gesetzlichen Mindeststandards. Dass es immer noch nachhaltiger geht, ist klar. Deshalb haben wir uns selbst vergangenes Jahr noch strengere Vorgaben für unsere Marke followfish gegeben. Mit dem Ziel, die strengsten Fischereirichtlinien zu etablieren. Darüber hinaus plädieren wir auch immer für einen bewussten Fischkonsum. Wenn Fisch auf den Teller kommt, sollte er auf jeden Fall nachhaltig gefischt sein.

Was war der Auslöser dafür, followfish zu gründen? Wie gestaltete sich der Eintritt in den Markt und was waren die großen Herausforderungen? Wie und mit welchen Partnern wurde die Gründung, das Projekt finanziert?
Die Gründer Jürg Knoll und Harri Butsch haben schon während der Studentenzeit einen Fischhandel betrieben. Dabei wurde ihnen bewusst, wieviel darin schiefläuft und wollten einen Schritt weitergehen und den ersten nachhaltigen Fisch auf den Markt bringen. So entstand die Idee für followfish und auch den Tracking Code, mit dem man Lieferketten und die Hersteller genau nachvollziehen kann. Damals waren viele in der Branche skeptisch, aber sie haben an die Idee geglaubt, dass es einen Markt für nachhaltigen Fisch gibt. Der Erfolg gibt ihnen recht. Inzwischen sind fast alle Tiefkühl-Fischprodukte zertifiziert und ganz viele Anbieter haben unsere Idee des Tracking Codes übernommen. Das freut uns natürlich, denn wir wollen ja eine echte Veränderung in dem Markt bewirken und dafür müssen viele Anbieter mitmachen.

Aus „followfish“ wurde „followfood“, das „follow“ blieb. Warum war Ihnen das Konzept der Nachverfolgbarkeit oder besseren Rückverfolgbarkeit wichtig? Und wie funktioniert es bei followfood?
Mit dem Erfolg von followfish wurde uns klar, dass es um mehr als nur Fisch geht. Denn es gibt keinen konsequenten Meeresschutz ohne Bodenschutz. Alles hängt zusammen. Das heißt, wir müssen die gesamte Lebensmittelproduktion anschauen.
So bieten wir zum Beispiel Bio-Pizzen, Bio-Eis und Bio-Tiefkühlgemüse an. 2019 haben wir mit der Bodenretter-Initiative noch eine zusätzliche Maßnahme geschaffen, um bio weiterzudenken. Von jedem followfood Produkt gehen fünf Cent in einen Fonds, mit dem regenerative Landwirtschaft gefördert wird. Das Prinzip mit dem Tracking Code, also der Offenlegung der Produzenten- und Lieferwege, haben wir übertragen und seit Kurzem kann man sogar den ökologischen Fußabdruck jedes Produkts im Vergleich mit einigen anderen Produkten ablesen. Denn je mehr Verbraucherinnen und Verbraucher über die Produkte wissen, die sie konsumieren, desto besser können sie entscheiden, was sie einkaufen wollen und was nicht. Für uns ist Lebensmitteltransparenz ein sehr wichtiger Wert unseres Konzepts.

Werden die Demeter-Weine unter der Marke „Bodenretter“ noch vermarktet? Auf der Website sind sie nicht zu finden.
Wir konnten nur eine begrenzte Menge an Bioweinen produzieren, daher bewerben wir den Wein nicht mehr aktiv. Im Moment diskutieren wir, wie wir mit dem Weinthema weiter verfahren.

Die Produktwelt Pizza ist die einzige, in der Fleisch und Wurst eine Rolle spielen könnten, tun sie aber nicht. Die Pizzen gibt es entweder vegan, vegetarisch oder eben mit Fisch oder Garnelen. Ist das eine grundlegende Entscheidung? Ist es für Sie denkbar, das Angebot um die Kategorie Fleisch zu erweitern? Immerhin würde es der Fleischbranche guttun, stärkeres Augenmerk auf das Thema Herkunft und Nachverfolgbarkeit zu legen.
Wir haben schon vor langer Zeit entschieden, keine Fleisch- oder Wurstprodukte anzubieten, sondern vegane Alternativprodukte, die es ja etwa mit dem followfood „Bio Frei!Burger“ oder dem „Bio Frei!Hack“ und mehreren veganen Bio-Tiefkühl-Fertiggerichten schon gibt. Das ist unsere Antwort und die Nachfrage nach vegetarischen und veganen Produkten macht klar, dass dies ein wachsender Markt ist.

Mittlerweile berichten Branchenmagazine seit Jahren über Rekordumsätze und nennen followfood in einem Atemzug mit Konzernen wie Costa oder Iglo. Wie geht es mit followfood weiter? Oder anders gefragt: Wo sehen Sie das Unternehmen in fünf, zehn Jahren?
Dass wir jedes Jahr zweistellig wachsen, hätten wir uns selbst nie träumen lassen. Es zeigt, dass die Konsumenten unsere Vision verstehen und unterstützen. Uns geht es aber nicht um Wachstum per se. Wir sind noch längst nicht bei unserer Vision einer zukunftsfähigen Lebensmittelproduktion angekommen. Es gibt noch viele Bereiche und Produktkategorien in denen es Potential für noch mehr Nachhaltigkeit gibt. Und da nicht nur unsere Produkte einen Unterschied machen, sondern auch die Projekte, in die wir investieren, können wir mit weiterem Wachstum mehr in wegweisende Projekte stecken, die den Weg zu einer Lebensmittelversorgung im Einklang mit der Natur bereiten. So haben wir gerade eine Partnerschaft mit dem innovativen landwirtschaftlichen Betrieb „Gut & Bösel“ bekannt gegeben und fördern ihn mit 250.000 Euro in den nächsten drei Jahren. In diesem Jahr wollen wir 400.000 bis 500.000 Euro in nachhaltige Projekte stecken. Je mehr wir also wachsen, desto mehr können wir in Sachen Nachhaltigkeit tun und erreichen. Auf diese Weise wollen wir ähnlich wie damals beim Tracking Code auch einen Druck auf die Lebensmittelbranche ausüben, damit sie Biodiversität und Klimaschutz mehr in ihre Geschäftsmodelle integrieren.

Eine persönliche Frage: Wie oft stehen bei Ihnen eigene Produkte am Menüplan? Die Frage kann gern differenziert beantwortet werden, quasi vor und während der Lockdowns, falls es hier einen Unterschied gibt.
Vor der Pandemie hat unser Team in Friedrichshafen jeden Mittag frisch gekocht. Natürlich stehen da auch unsere Produkte auf dem Speiseplan, aber nicht nur. Seit der Pandemie sind wir alle überwiegend im Homeoffice. Da generell die Nachfrage nach Tiefkühl-Fertiggerichten gestiegen ist, vermute ich, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch öfter mal zu unseren Bio-Tiefkühl-Gerichten greifen. Schließlich haben wir alle viele Video-Calls, teilweise Homeschooling und so weiter. Genau für solche Momente, wo die Zeit knapp ist, haben wir unsere Bio-TK-Fertiggerichte konzipiert, damit man sich auch dann lecker und nachhaltig ernähren kann. Und natürlich ist das bei mir Zuhause genauso.


Transparente Lieferketten
Von Marie Rüscher

Nicht nur bei Fisch und anderen Lebensmitteln ist es heutzutage von Vorteil zu wissen, woher sie stammen. Kinderarbeit und Lohndumping, illegale Rodungen, Wasserraub und sich immer höher auftürmende Müllberge: Die Produktion von Nahrung und Konsumgütern des modernen Westens zieht tiefe Furchen durch die produzierenden Länder. Was das Unternehmen followfood auf frei-williger Basis auslebt, wird in Form eines sogenannten Lieferkettengesetzes auf nationaler und europäischer Ebene verbindlich gefordert.
Nur jedes dritte Unternehmen in der EU unterzieht laut einer Studie, durchgeführt im Auftrag der EU-Kommission, derzeit seine globalen Lieferketten einer Prüfung in Hinsicht auf Menschenrechte und Umweltauswirkungen. Ein Lieferkettengesetz würde Unternehmen und Konzerne dazu verpflichten, die verschiedenen Zulieferer zu überprüfen und Informationen darüber den Konsumentinnen und Konsumenten frei zugänglich zu machen. Kritisch beäugt wird von Unternehmensseite die Haftungspflicht, die Unternehmen auch für Regelverstöße bei Zulieferern haftbar machen könnte.
In manchen Branchen gibt es in Österreich bereits dahingehende Verpflichtungen, Initiativen fordern die Ausweitung auf alle Bereiche und dass den Unternehmen neben Geldstrafen zum Beispiel auch der Entzug der Betriebsbewilligung drohen soll. Kritiker und Kritikerinnen sehen in nationalen oder europäischen Regelungen eine Benachteiligung in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Konzerne.
Zuletzt einigte sich die große Koalition in Berlin auf ein Lieferkettengesetz, das ab 2023 für deutsche Konzerne mit mehr als 3.000 Mitarbeitern gelten soll, die Details werden noch verhandelt. In Frankreich ist ein vergleichbares Gesetz schon seit 2017 in Kraft. Bis Jahresende will Brüssel neue Regelungen für den EU-Raum entwerfen, die klären, wie die Kontrollen der Zulieferer und Tochterunternehmen aussehen könnten. Die geplante EU-Richtlinie soll dabei den unterschiedlichen nationalen Vorstößen eine Klammer geben und dürfte weitreichender werden als der derzeitige Entwurf aus Deutschland. Hierzulande setzt sich die „Bürger*inneninitiative Lieferkettengesetz Österreich“ auf für das Vorhaben ein.
lieferkettengesetz.at


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