Zeig her deine Herkunft
Was spricht für, was gegen eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel in der Gastronomie?
Von Sarah Kleiner
Wissen Sie, woher die Tomaten kamen, die Sie zuletzt im Salat verzehrt haben? Oder wer die Trauben gelesen hat, die als Wein in Ihrem Glas gelandet sind? Woher die Lebensmittel kommen, die uns in den großen und kleinen Gastwirtschaften des Landes feilgeboten werden, bleibt dem Kunden in der Regel vorenthalten. In der Schweiz ist sie seit Jahren Realität bei Fleisch und Eiern, in Österreich wird sie vor allem von landwirtschaftlicher Seite immer deutlicher gefordert: eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel in der Gastronomie. Wie das Herkunftsprinzip Teil des gas-tronomischen Konzepts sein kann, zeigen Wirtinnen und Gastronomen schon heute – freiwillig.
„Wir haben einen großen persönlichen Einsatz hinter dem Konzept“, sagt Josef Floh, „aber wenn das nicht tief in einem drinnen sitzt, gibt man wahrscheinlich schnell auf.“ Seine Gastwirtschaft „Floh“ im niederösterreichischen Langenlebarn ist ein Vorzeigebetrieb in Sachen Transparenz. Josef Floh hat sich für seine Wareneinkäufe eine verträgliche Distanz auferlegt und das “Radius 66“-Prinzip ins Leben gerufen. Die Lebensmittel, die in seiner Gastwirtschaft nahe der Donau verarbeitet werden, stammen zu 95 Prozent von über 80 Bio-Betrieben und Landwirtschaften innerhalb von 66 Kilometern rund ums „Floh“. Die Liste der Zulieferer und Bauern wird auf der Website ausgewiesen.
„Wir machen das einerseits für den Konsumenten, aber auch, weil die Beziehung zwischen Produzent und Verarbeiter – also zwischen Bauer und Wirt, Koch oder auch Kellner – so wichtig ist“, sagt Josef Floh. „Es gibt ein paar kleine Betriebe, die nicht liefern können oder wollen“, antwortet er auf die Frage, inwiefern die regionale Lebensmittelversorgung eine logistische Herausforderung sei. „Ich habe da zum Glück meinen Schwiegervater, der zwei Mal in der Woche spazieren fährt und die Ware von diesen Betrieben einsammelt“, sagt Floh. Eine Verpflichtung zur Kennzeichnung der Herkunft seiner Waren ist für den niederösterreichischen Gastronomen kein Thema, seit jeher lebt er das Herkunftsprinzip offen aus. „Angefangen haben wir vor 25 Jahren mit Fotos unserer Produzenten in der Speisekarte“, sagt Josef Floh. Gegenstimmen zur gesetzlichen Kennzeichnungspflicht sind für den Gastwirt bis zu einem gewissen Grad berechtigt. „Der Gastronomie wurden in den letzten Jahren behördlich viele Dokumentationspflichten auferlegt, viel bürokratischer Aufwand“, sagt er. Schon für die Bio-Kon-trollen müssten Betriebe Rechnungen und Lieferscheine, Herkunftsnachweise für jedes einzelne Produkt vorweisen können. „Wenn ich am Großmarkt einkaufe, spare ich mir natürlich diesen Aufwand, da habe ich eine Rechnung und einen Lieferanten“, sagt Josef Floh.
Regional in der Stadt
„Uns war wichtig, kompromisslos zu sein und auf unserer Speisekarte keine Ausnahmen zu haben,“ sagt Rita Huber. „Das war am Anfang eine Herausforderung, weil manche Zutaten nicht in der gewünschten Qualität oder Menge erhältlich sind“, so Huber. Die 31-Jährige hat mit ihrem Geschäftspartner seit 2014 den Lieferdienst „Rita bringt´s“ aufgebaut – mittlerweile ein Unternehmen mit 25 Angestellten. Sie sitzt an einem langen, dunklen Holztisch im Büro im vierten Gemeindebezirk. Hier verwaltet sie mit ihren Mitarbeitern den Einkauf, die Bestellung und Auslieferung von rund 450 Mittagsmenüs am Tag. „Es ist zwar der Traum, dass mich drei, vier Bauern in der Nähe mit allen nötigen Waren versorgen können, aber es sind teilweise viel zu geringe Mengen für uns,“ sagt Huber. Zwischen 9:30 Uhr und 12:00 Uhr liefern Rita´s Fahrer insgesamt etwa 1.300 Speiseartikel – Hauptspeisen, Suppen, Salate, Desserts etc. – an ihre Kunden aus, emissionsfrei am Fahrrad. Alle Zutaten sind biologisch produziert, die Mahlzeiten ausschließlich vegetarisch oder vegan, eingekauft wird regional – Kichererbsen und Linsen aus Niederösterreich, Paradeiser und Melanzani
aus dem Burgenland. „Regionale Lebensmittelversorgung ist nicht schwierig“, sagt Rita Huber. Nur bei – für manche Kunden – unverzichtbaren Waren wie Kaffee, Zitronen oder Schokolade oder auch bei exotischen Produkten wie Kokosmilch greife auch „Rita bringt´s“ auf Importware zurück. „Wir sitzen in Wien in einem Schmelztiegel der landwirtschaftlichen Versorgung“, sagt Rita Huber. „Wir können uns hier saisonal mit Lebensmitteln aus Wien, Niederösterreich oder aus dem Burgenland – und das ist schon die größte Entfernung – das ganze Jahr ernähren“, sagt Rita Huber. Auch auf der Website von „Rita bringt´s“ sind für den Konsumenten die wichtigsten Zulieferbetriebe aufgelistet.
Geht man bis ans Ende der Straße, in der Rita Hubers Büro angesiedelt ist, so landet man am Wiener Naschmarkt, dem Symbolbild des internationalen Handels, bestückt mit den feinsten Gewürzen, exotischen Früchten, Spezialitäten aus aller Welt. Vergangenen Juni wurde im Parlament eine verpflichtende Kennzeichnung der Herkunft von Milch, Fleisch und Eiern in der Gemeinschaftsverpflegung ab 2021 beschlossen. Ein weiterer Schritt in Richtung transparenter Speisekarte, doch der Fachverband für Gastronomie der Wiener Wirtschaftskammer spricht sich weiterhin gegen eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel aus. Ins Treffen geführt wird der administrative Aufwand, den die Kennzeichnung und entsprechende Kontrollen für Gastronomen mit sich bringen. Es ist derselbe Aufwand, den sich Bio-Betriebe und Gastronomen wie Josef Floh oder Rita Huber freiwillig auferlegen. Inwiefern der Aufwand für die Gastwirtschaft größer wäre, als eine Allergenverordnung oder eine Registrierkasse einzuführen, wurde vom Gastronomiefachverband bis zum Redaktionsschluss nicht beantwortet. „Ich muss ehrlich sagen, ich persönlich will einfach keine gespritzten Lebensmittel essen“, sagt Josef Floh, „deswegen kaufe ich das ein, was ich kaufe – also regional, biologisch und gute Qualität.“ Bei seinem transparenten Gastronomiekonzept spiele nicht zuletzt etwas Eigennutz eine Rolle. „Ich kann dem Kunden schon etwas Schlechteres vorsetzen, als ich selbst essen würde, aber auf lange Sicht wird das nicht funktionieren“, sagt Josef Floh.
Foto Christopher Glanzl