Zenzi‘s ökologischer Hufabdruck

Zenzi. Foto Jürgen Schmücking

Die Landwirtschaft steht unter Beschuss. Treibhausgas-rülpsende Kühe mit stattlichem Appetit sorgen für Verstimmung oder zumindest Verunsicherung bei Konsumentinnen und Konsumenten. Hier ein paar Gedanken zu den Zusammenhängen. Und über Bio als einen möglichen Weg aus der Krise.
Von Jürgen Schmücking

Vorweg: die Bio-Rindfleisch- und Bio-Kalbfleischpakete, die im Ländle von der Genossenschaft „Bio Vorarlberg“ vermarktet und vertrieben werden, sind – aus kulinarischer Sicht – ein Traum. Wir haben über das Projekt im ORIGINAL Magazin bereits im Mai 2017 berichtet. Hier noch einmal die Eckpunkte: Feinstes Fleisch von Vorarlberger Bio-Betrieben, garantierte Weidewirtschaft, kurze Transportwege zur Schlachtung. Das Paket enthält neben Edelteilen auch Braten, Schnitzel, Faschiertes, Gulasch und Suppenfleisch. Die Qualität ist außergewöhnlich. Wenn die Box dann allerdings geliefert wird, könnte man im ersten Moment glauben, dass da ein Irrtum vorliegt und fälschlicherweise ein Gemüsekisterl geliefert wurde. Genau das steht nämlich, fett gedruckt, auf der Fleischbox drauf: „esst mehr gemüse“. Es ist aber alles andere als ein Irrtum. Öffnet man die Box, kommt bestes Kalb- oder Rindfleisch zum Vorschein. Der Spruch mit dem Gemüse ist trotzdem wichtig. Weil, da sind sich Nadia El Daly, Marketingleiterin beim Bioverband „BIO AUSTRIA“ und Manuel Kirisits-Steinparzer, Geschäftsführer der Genossenschaft „Bio Vorarlberg“, einig: „Die Kombination aus Biolandwirtschaft und Reduktion des Fleischkonsums sind essenzielle Säulen einer Strategie, dem Klimawandel entgegenzuwirken.“

Enkeltaugliche Tierhaltung – gibt es das?
Zur Ausgangslage. Es sind schwierige Zeiten für die Kuh. Kurz gesagt: Sie rülpst und pupst zu viel und dafür steht sie am Pranger. Durch ihre Verdauung und Haltung werden Treibhausgase (Kohlendioxyd, Methan und Lachgas) freigesetzt, die in der Atmosphäre veritablen Schaden anrichten. Das ist aber nicht ihr einziges Problem. Das Image der Kuh leidet unter anderem auch daran, dass ihr die Schuld an der Bodenerosion gegeben wird. Dann verbraucht sie noch zu viel Platz. Für ihr Kraftfutter werden ganze Wälder abgeholzt, und um ein Kilogramm Rindfleisch zu produzieren, werden Unmengen an Energie und Wasser verwendet.

Doch liegt der Teufel hier im Detail, und Kuh ist nicht gleich Kuh. Durch kluge Entscheidungen in Haltungsfragen können Rinder sogar zu Klimaschützern werden. Losgetreten hat die Diskussion übrigens die FAO, die „Food an Agricultural Organization“, eine Teilorganisation der Vereinten Nationen, mit ihrer Studie „Livestock‘s Long Shadow“ im Jahr 2006. Obwohl der Publikation methodische Mängel nachgewiesen wurden (und die FAO ihre damaligen Werte mittlerweile leicht korrigiert hat), war sie lange das Standard-Argument all jener, denen Tierhaltung und Fleischproduktion grundsätzlich ein Stachel im Fleisch ist. Sie war aber auch Auslöser für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema. Vor allem die Bücher von Anita Idel („Die Kuh ist kein Klima-Killer!“), Tony Weis („The Ecological Hoofprint“) und Martin Schlatzer („Tierproduktion und Klimawandel“) sind hier zu erwähnen – und zu empfehlen.

Bleiben wir aber noch kurz bei den Problemfeldern. Im Grunde hatte die FAO ja nicht Unrecht. Bei der Tierhaltung wird vor allem das Treibhausgas Methan (CH4) freigesetzt. Es entsteht bei der Verdauung pflanzlicher Nahrung. Methan ist für das Klima 25-mal schlimmer als CO2. Es findet sich aber auch in den übrigen Verdauungsprodukten und wird ebenso frei, wenn Gülle auf den Feldern ausgebracht wird. Methan entsteht, wenn organisches Material unter Luftausschluss abgebaut wird. Zersetzen sich etwa Pflanzen in Feuchtgebieten unter Wasser ohne Sauerstoffzufuhr, führt dies zu Methanemissionen – je wärmer es ist, desto schneller. Beim Abbau von Kohle, Öl oder Erdgas wird ebenfalls Methan freigesetzt. Aber auch Mülldeponien, Klärwerke und der Nassreisanbau geben Methan ab, genau wie Ozeane – und eben das Futter in den Pansen der Wiederkäuer. Das Problem ist hier die Menge. Dazu ein Gedankenexperiment. Wenn sämtliche Rinder der Erde einen eigenen Staat bilden würden, wäre das das bevölkerungsreichste Land der Welt und – nach China und den USA – der drittgrößte Verursacher von Treibhausgas-Emissionen. Aber auch in der Produktionsweise liegt das Problem bei der Größe. Die drei weltweit größten Fleischkonzerne (José Batista Sobrinho, Tyson Foods und Cargill) sind zusammen für mehr Treibhausgas-Emissionen verantwortlich als Shell oder BP. Nimmt man die Milchkonzerne Dairy Farmers of America und Fonterra dazu, zieht der Sektor der industriellen Tierhaltung mit ExxonMobil gleich.

Das mit der Verdauung und den dadurch entstehenden Gasen ist allerdings erst die halbe Miete. Fast noch wichtiger ist die Frage, womit die Kuh gefüttert wird. Landet Soja im Futtersilo, verschlechtert sich die Klimabilanz noch einmal deutlich. Auf jeden Tafelspitz, jeden Burger und auch auf jedes Glas Milch kommt dann plötzlich eine ganze Menge CO2. Dem Sojaanbau fallen nämlich häufig (eigentlich fast in der Regel) Regenwälder zum Opfer. Und die gehören neben Mooren, Wäldern und Dauergrünland zu den größten CO2-Speichern der Erde – sowohl in ihrem Pflanzenbewuchs als auch in den reichen Humusschichten ihrer Böden. Die Tierhaltung ist weltweit die größte Triebkraft für die Abholzung der Wälder. Rechnet man diese sogenannte Landnutzungsveränderung dazu, ist die Landwirtschaft für etwa dreißig Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Und das ist eine ganze Menge.

Durch Umstellung auf biologische Landwirtschaft kann hier allerdings ordentlich gegengesteuert werden. Ökologisch bewirtschaftete Flächen speichern deutlich mehr Kohlenstoff und emittieren geringere Mengen an Treibhausgasen als konventionelle Flächen. Verschiedene Studien zeigen, dass biologisch bewirtschaftete Böden bis zu 256 Kilogramm mehr Kohlenstoff pro Hektar und Jahr speichern. Außerdem weisen sie einen um 10 Prozent höheren Gehalt an organischem Bodenkohlenstoff auf, und auch die Lachgasemissionen sind um etwa 25 Prozent geringer als in der konventionellen Landwirtschaft. Zählt man diese Faktoren zusammen, ergibt sich ein Einsparungspotenzial von 1.082 Kilogramm pro Hektar – umgerechnet in die vergleichbare „Klimawährung“ der CO2-Äquivalente.
Bio kann also deutlich zur Entlastung des Klimas beitragen. In Verbindung mit einer generellen Reduktion des Fleischkonsums und der Lebensmittelverschwendung kann durchaus von einem richtigen Weg gesprochen werden. Ganz verzichten können wir auf unsere Rinder ohnehin nicht. Im Gegenteil. Die blühendsten und fruchtbarsten Flächen der Erde wurden von riesigen Wiederkäuer-Herden fruchtbar getrampelt. Manuel Winter, Nutztierwissenschafter an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt, dass es viel zu wenig Weiderinder gebe. Die Rinder fressen einen Teil der Gräser ab (und verwandeln das sonst nicht verwertbare Gras in Milch- und Fleisch-Proteine), treten den Rest als Mulchschicht in den Boden, die ihn vor Austrocknung schützt. Die Feinwurzeln der Gräser helfen zudem, wasserspeichernden Humus aufzubauen. Bio-Weidewirtschaft ist demnach nicht nur landschaftsarchitektonisch bedeutend, sie hat auch eine Klimaschutz-Funktion.

Die daraus resultierende Handlungsempfehlung für Konsumentinnen und Konsumenten hat sogar wissenschaftliche Rückendeckung. In einer aktuellen Studie zum Thema „Klimaschutz und Ernährung“ kommt das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) zu folgendem Schluss: Empfohlen wird gesundheitsbewusster Konsum von Fleisch, die Reduktion des Konsums von Fleisch und Fleischprodukten. Konkret bedeutet das weniger Fleisch, dafür von höherer Qualität. Also Bio-Fleisch von Tieren aus extensiver Haltung, am besten aus Freilandhaltungsformen. Oder – um den Bogen zu unserem Ausgangspunkt zu spannen – Fleisch von Projekten wie dem Bio-Rindfleischpaket von „Bio Vorarlberg“. Ähnliche Initiativen gibt es im ganzen Land. Information und Bezugsquellen hat der österreichische Verband „BIO AUSTRIA“.
bio-austria.at


TIPP der Redaktion:

Bio-Einkaufsadressen (ab Hof, Hofladen, Bauernmarkt), Bio-Gastronomie, Übernachtungsmöglichkeiten und Freizeitangebote finden Sie hier:
biomaps.at


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