„Das FAQ sollte sich nie wie ein Ufo anfühlen, das in fremden Gefilden landet.“

Bild: Aurelia Batlogg-Windhager, Martin Fetz, Friendship-Agentur, FAQ Bregenzerwald. Foto Wolfgang Paterno

Das Kulturfestival „FAQ Bregenzerwald“ feiert sein zehnjähriges Bestehen. Mitbegründer Martin Fetz und Organisatorin Aurelia Batlogg-Windhager über dumme Fragen, getrennte Welten und die Vibes des Bregenzerwaldes. Von Wolfgang Paterno

Das „FAQ Bregenzerwald“ wurde vor zehn Jahren vom Bregenzerwälder Martin Fetz und vom Tiroler Matthias Felsner ins Leben gerufen. „Forum mit Festivalcharakter und kulinarischem Anspruch“, so lautet die Selbstbeschreibung des alljährlich im September stattfindenden Veranstaltungsformats: Expertinnen und Experten, bekannte und weniger bekannte, erfolgreiche und auch solche, die das Scheitern kennengelernt haben, versuchen auf Gesprächspodien, die zuweilen auf Wiesen und in Scheunen verlagert werden, neue Antworten auf alte und aktuelle Fragen zu finden. Gemeinsam mit der Übersetzerin Aurelia Batlogg-Windhager bilden Felsner und Fetz auch das Kernteam der Wiener Kommunikationsagentur „friendship“. Batlogg-Windhager ist Geschäftsführerin von „friendship“ und Organisatorin des „FAQ Bregenzerwald“.

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Herr Fetz, das Akronym FAQ steht bekanntlich für „Frequently Asked Questions“. Sind nach zehn Jahren alle Fragen gestellt?
Martin Fetz: Auf keinen Fall. Dem „FAQ Bregenzerwald“ liegt unbeirrt der Gedanke zugrunde, dass eben nicht alle Fragen gestellt worden sind, auch nie gestellt werden können. Spannend ist ja auch, dass sich im Laufe einer Dekade selbst auf dieselben Fragen ganz unterschiedliche Antworten ergeben. Die Fragen gehen uns jedenfalls bis heute nicht aus.

Sind bestimmte Fragen beim „FAQ“ schlicht aus der Mode gekommen?
Fetz: Es hat sich auf jeden Fall verändert, worüber wir nachdenken, einfach, weil sich die Welt in den letzten zehn Jahren verändert hat. Wir würden heute wahrscheinlich keine Veranstaltung mehr anbieten, deren Kernfrage lautet: „Ist jeder seines Glückes Schmied?“ Wir wissen inzwischen, dass beileibe nicht jeder und jede seines und ihres eigenen Glückes Schmied ist.

Wie erinnern Sie sich an die „FAQ“-Anfänge?
Fetz: Damals betreuten wir als Agentur ein Projekt für die Weltausstellung „Expo“ in Mailand, bei dem viele Inhalte separiert voneinander über die Bühne gingen. Unsere Aufgabe bestand unter anderem darin, ein jüngeres Zielpublikum hierzulande für die Mailänder „Expo“ zu interessieren, um auf dieses Großevent aufmerksam zu machen. Wir veranstalteten deshalb Konzerte und kulinarische Events, verteilt über ganz Österreich. Privat besuchten wir Foren und Symposien. Irgendwie machte uns das alles aber nicht wirklich happy, wir fragten uns, ob man solche Formate nicht auch anders machen könnte. Auf der mehrstündigen Busfahrt von Mailand zurück nach Österreich entstand die Idee eines mehrtägigen Festivals, das zugleich inspirierend ist und neuen Input liefert. Anfangs dachten wir übrigens an Namen für das geplante Event in Vorarlberg wie „Silva“ und „Breathe“, Wald und Atmen also. Das ist es dann bekanntlich nicht geworden. Bei „FAQ Bregenzerwald“ klingt für manche auch „Fuck“ mit – das ist okay für uns, die Disruption und Irritation, die damit einhergeht, ist uns durchaus willkommen. Wir wollen genau das: irritieren und die Verhältnisse zum Tanzen bringen, zumindest einige Tage lang. Das Publikum soll überraschende Gedanken und Einsichten mitnehmen.

Wie kamen Sie auf die Location Bregenzerwald?
Fetz: Das „FAQ“ konnte nur im Bregenzerwald stattfinden, das war von Beginn an klar! Aurelia und ich stammen von dort, wir beide kennen den Wald und wissen: Wenn man die Menschen dort von einer Sache überzeugen kann, sind sie zu 100 Prozent mit von der Partie. Und so war es auch. Das „FAQ“ sollte sich nie wie ein Ufo anfühlen, das in fremden Gefilden landet, wir wollten das von Anfang an eng mit der Region verknüpfen. Und so suchten wir neue, ungewöhnliche Veranstaltungsorte wie Wiesen, Scheunen und Zimmereien und luden interessante Menschen für Podiumsveranstaltungen ein.

Frau Batlogg-Windhager, Sie kamen vor neun Jahren zuerst als Köchin mit an Bord.
Aurelia Batlogg-Windhager: Ich begleitete verschiedene Projekte von Martin beziehungsweise von „friendship“ schon zuvor als Übersetzerin. Während eines Ferienaufenthalts bei meinen Eltern fragte mich Martin dann eines Tages, ob ich spontan als Köchin für eine Veranstaltung in der Alten Säge in Bezau einspringen könnte – das erste „FAQ Bregenzerwald“: ein Essen für 100 Personen, bitte glutenfrei und vegetarisch. Alles entstand damals spontan, ohne großen Masterplan. Ich erinnere mich an einen traumhaft schönen Septembertag mit Klaviermusik und kreisenden Paragleitern am blauen Himmel. Da wusste ich: Da will ich dabei sein.

Ein mehr als fulminanter Einstieg!
Batlogg-Windhager: Wie Martin habe ich die eine Hälfte meines Lebens in Vorarlberg verbracht und die andere in Wien – in zwei getrennten Welten. Die „FAQ“-Veranstaltung in Bezau brachte es an diesem Septembertag erstmals zustande, dass diese beiden Welten zusammenpassten.

Das müssen Sie erklären.
Batlogg-Windhager: Das Leben in der Stadt und am Land unterscheidet sich nicht in dem Maße, wie wir gerne glauben wollen. Wir alle sind auch nicht komplett verschiedene Menschen: Viele Fragen, die uns alle beschäftigen, sind im Kern gleich, ganz egal, ob man in Attnang-Puchheim, Wien, Berlin oder Bezau lebt und arbeitet. Genau darauf fokussiert das „FAQ“: Wir stellen dieses menschlich Verbindende, das Gemeinsame in den Mittelpunkt, wir wollen die Menschen dabei mit allen Sinnen abholen.

Was also ist das „FAQ“?
Batlogg-Windhager: Viele Menschen haben ähnliche Bedürfnisse. Oft regiert das Gefühl, es ereigne sich um uns herum unüberschaubar viel – und jeder und jede versucht auf sich allein gestellt damit zurechtzukommen. Beim „FAQ“ fördern wir deshalb Gemeinschaftserlebnisse, von denen wir glauben, dass davon viele profitieren. Es geht bei jedem unserer interdisziplinär besetzten Podien um ein Wir-Gefühl. Es ist auch jedes Mal wieder inspirierend, im Bregenzerwald für einige Tage aus dem Alltag herauszutreten, bestimmte Dinge aus ganz anderer und neuer Perspektive zu betrachten. Ich glaube, es ist auch gut, dass das „FAQ“ im September stattfindet, für viele ist das der eigentliche Beginn eines neuen Jahres und eine gute Zeit, sich Gedanken zu machen.

Fetz: Wir sind keinesfalls für die Vollzeit-Bespaßung des Publikums zuständig, es gibt im Bregenzerwald auch rundherum so viel zu sehen und zu tun. Das nutzen viele unserer Gäste und ist bestimmt auch ein weiterer Anreiz, zum „FAQ“ in den Bregenzerwald zu kommen.

Die Welt ist in Aufruhr. Wie wirken sich Krieg und Klimaveränderung auf das „FAQ „aus?
Fetz: Die Welt, so abgedroschen das auch klingen mag, hat sich seit der „FAQ“-Gründung massiv verändert. Vor Jahren herrschte noch eine Leichtigkeit, die das spielerische Entwerfen von Utopien erlaubte. Inzwischen sind die globalen Probleme derart drängend und massiv, dass man an ihnen nicht mehr vorbeikommt: Aufrüstung, Krieg, Klimakatastrophe, Verwerfungen in der Weltwirtschaft. Trotz allem versuchen wir, neue Perspektiven, Inputs und Impulse zu finden.
Batlogg-Windhager: Viele Probleme werden bewältigbar, sobald man sie in Einzelteile herunterbricht. Es geht immer nur Schritt für Schritt, in kleinen Kapiteln: Wir versuchen, die großen Bedrohungsszenarien in fassbare Teile zu zerlegen, Expertinnen und Experten einzuladen, die sich genau damit beschäftigen. Und der Zuversicht Raum zu geben: Wir schaffen das, die Menschheit hat schon ganz andere Probleme gemeistert.

Es gibt keine blöden Fragen. Einverstanden?
Fetz: Ja. Wer fragt, gewinnt.

Sind Fragen oder Antworten wichtiger?
Batlogg-Windhager: Allein die Erfahrung, dass man mit vielen Fragen nicht allein dasteht, ist mitunter so hilfreich wie eine Antwort.

Wir enden mit Bertolt Brecht: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Fetz: Also enttäuscht sind wir nicht, im Gegenteil, wir freuen uns sehr über alles, was wir schon gefragt haben und noch fragen werden. Aber wenn alle Fragen offen sind, dann bleiben noch viele übrig, die wir in den kommenden zehn Jahren stellen können.

Tipp
FAQ 2025: 3. bis 7. September 2025
faq-bregenzerwald.com


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