Selbstversorger auf 1.100 Metern Seehöhe

Bild: Andreas Haller suchte nach einer sinnstiftenden Tätigkeit und fand sie in der Permakultur.

Der Permakultur liegt der Gedanke funktionierender Kreisläufe zugrunde. Dieser betrifft dabei nicht nur den Garten, sondern auch das soziale Umfeld, das eigene Tun an und für sich. Andi Haller lebt danach – und hat sich ein Permakultur-Refugium auf 1.100 Metern Seehöhe im Kleinwalsertal erschaffen. Von Magdalena Venier

„Narandi“ nennt Andi Haller seine Permakultur-Lebensschule im Wildental. Dort im Kleinwalsertal machte er in alpiner Lage das Unmögliche – so die Annahme seiner Großmutter – möglich: 2012 startete er mit einem 30 Quadratmeter großen Gemüse- und Heilkräuterbeet in sein Vorhaben. Den Flecken Erde überließ ihm ebenjene Großmutter, die zuerst nicht an das Projekt geglaubt hatte. Doch der Ertrag gab ihm recht und ermutigte ihn, seinen Permakultur-Garten großflächig weiterzudenken. Andi Haller setzte sich damals einen Zeitraum von 10 Jahren, um ein selbstregulierendes Ökosystem in dieser Höhe aufzubauen. Das große Ziel lautete: Selbstversorgung durch Permakultur – und seine Erkenntnisse und Lebensweise vermitteln. So nahm die Erfolgsgeschichte ihren Lauf.

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Von der Pike auf
Wer denkt, Andi Haller kam, sah und erntete, der fehlt. Das meiste, das er in und mit seinem Waldgarten über die Jahre aufbaute, eignete er sich autodidaktisch an. Der Ehrgeiz, sich ein selbstbestimmtes Leben im Einklang mit der Natur zu schaffen, ist dabei sein größter Motivator. „Earth care, people care und fair share – mit dieser Ethik der Permakultur ist schon viel gesagt. Es geht mir darum, meine eigene Lebensgrundlage zu organisieren und dabei auch ökologisch Wertvolles zu fördern“, erzählt er. Sein Leben davor war ein anderes: Seine Eltern hätten sich einen Akademiker gewünscht, doch Andi Haller schlug den Weg in eine Schreinerlehre ein. Darauf folgten Jobs in den Bereichen Einrichtungsberatung, Casino, Sporteinzelhandel und Tourismus. Fragen nach dem Sinn des Lebens hielten ihn nirgends lange und führten schließlich zu einer Kündigung ohne Vision, wie es weitergehen soll.

Die große Erkenntnis
Die spontane Entscheidung, auf einer Schweizer Alpe auszuhelfen, brachte das Aha-Erlebnis: Zwischen 170 Kühen begriff der Hirte und Zusenner Andi Haller, dass das Wichtige im Leben nichts kostet: „Trotz des immensen Arbeitspensums und des rudimentären Lebensstils war ich glücklich. Ich fragte mich, woher das kam. Die Antwort war eine einfache: von den Sonnenaufgängen. Die Zufriedenheit im Anblick dieser, löste die Einstellung ab, dass nur Geld und Erfolg glücklich machen.“ Eine Veränderung zum Einfachen, Naheliegenden stand an, aber in welche Richtung sie gehen sollte, war noch offen. Von Permakultur, ihren Werten und Methoden hatte er bis dahin noch nichts gehört. Ein Krankenstand bot ihm die nötige Zeit, um seine Recherche nach einem sinnvollen Lebensinhalt aufzunehmen. Der Begriff dieser Art von Gärtnern und Leben kam ihm dabei schnell unter. „Je intensiver ich mich mit Permakultur auseinandersetzte, desto klarer wurde, dass sie die Antwort auf alle meine Fragen war“, schildert er.

Aller Anfang ist …
Für Andi Haller ging es, nachdem die Großmutter überzeugt werden konnte, gleich in die Umsetzung. Die Analyse – der erste Schritt zum Permakultur-Garten – ergab ein eher durchwachsenes Bild: Die Fläche in Mittelberg ist nach Westen geneigt und liegt am Fuße des 2.224 Meter hohen Zwölferkopfs, wodurch sich die Morgensonne kaum zeigt. Dazu kommt ein humusarmer und steiniger Boden, der sich schwer bearbeiten lässt – aber nichts, was die Vorteile nicht wieder aufwiegen: viel Wasser, Abendsonne und eine vorgefundene Vielfalt an Flora und Fauna.

Auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen seiner Großmutter entstand über die Jahre ein ein Hektar großer Waldgarten. Der bewirtschaftete Teil ist im Vergleich zum Naturraum ein geringer: „Die renaturierte Fläche mit Bienenweide, Nistgelegenheiten, Stein- und Altholzhaufen sowie Benjeshecken dient den Insekten und Tieren als Rückzugsort und bringt eine Fülle an Arten in den Garten.“ Auf der bewirtschafteten Fläche gibt es den großen Gemüse- und Heilkräutergarten, Hochbeete, Hügelbeete, ein Gewächshaus sowie Mikroklimazonen wie eine Feuchtzone und eine Sonnenfalle. Neben einem Forellenteich gackern Hühner im Garten. Zu den bereits bestehenden Elementen seines Permakultur-Gartens sollen noch ein Geräteunterstand und ein Erdkeller für eine bessere Lagerung kommen. „Die wichtigsten Eckpfeiler habe ich aufgebaut, aber natürlich gibt es immer Ideen zur Verbesserung. Ich fasse für jedes Jahr Projekte ins Auge. Ob ich sie dann umsetzen kann, hängt vom Verlauf des Gartenjahres ab – da weiß man nie, was auf einen zukommt.“
Mit den Erträgen versorgt er sich in erster Linie selbst – entweder frisch geerntet oder veredelt und haltbar gemacht. Neben Chutneys, Marmeladen, Kompotten und Maisgrieß findet sich in den Regalen auch eine Hausapotheke mit Tinkturen, Salben und Hydrolaten, hergestellt aus den eigenen Heilkräutern. Den Überschuss verkauft er an die hiesige Spitzengastronomie, die ihm mit ihrem Fokus auf nachhaltige regionale Lebensmittel sein natürlich gewachsenes Gemüse gerne abnimmt.

Im Kreislauf mit der Natur
Als Ein-Mann-Betrieb hat Andi Haller ab dem spät eintretenden Frühling alle Hände voll zu tun. „Die Wintermonate sind für mich eine Zeit des Rückzugs und der Regeneration. Auch hier lebe ich nach der Natur. Im Wildental geht es erst ab Anfang April mit der Gartenarbeit los – eine strenge Zeit und viele Vorhaben zugleich.“ Erleichterung bringt leichtes Gerät wie ein kleiner Traktor – gebraucht gekauft und von ihm, so weit es geht, selbst gewartet. „Gerade bei Reparatur- und Bauarbeiten kommt mir meine Schreinerlehre zugute. Ist der Besuch einer Werkstatt unvermeidbar, dann habe ich schon die positive Erfahrung gemacht, dass sich die Mechaniker auch gerne in Realien bezahlen lassen.“ Aussaat, Pflanzung, Mulchen und Beikrautregulierung, Ernte, Samengewinnung – hinter dieser lockeren Aufzählung stecken Stunden an Planung und Arbeit unter dem freien Himmel, dem Wind und Wetter ausgesetzt. Und im Oktober ist die Gartensaison auch schon wieder vorbei, wenn der zeitige Winter Einzug hält.

Wissen weitergeben
Neben Gartenbau ist die Vermittlung ein wichtiger Bestandteil seines Lebens als Permakulturist: „Von Anfang an war Kommunikation Bestandteil meines Plans, das steckt schon im Namen: ‚Native Arche mit Andi‘. Die Menschen sollen erfahren, was ich hier tue und wie ich meinen Garten bewirtschafte. Meine Art zu leben, polarisiert. Die einen finden es super, die anderen zeigen sich skeptisch. Genauso ist es auch eine Herausforderung, meine Lebensweise mit dem gegebenen gesellschaftlichen System zu vereinbaren und den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten.“ Bei Führungen und Waldbade-Kursen für ein Naturhotel, bei Veranstaltungen im eigenen Waldgarten oder als Referent beim „Allgäuer Kräuterland“ gibt er Interessierten sein Wissen zur Permakultur weiter. „Vielen Menschen geht es ähnlich wie mir: Sie sind auf der Suche. „Narandi“ soll eine Plattform sein, die Gleichgesinnte vernetzt, und als Beispiel für einen ökologischen, friedvollen und wertschätzenden Lebensentwurf dienen – wir müssen uns als Gesellschaft in eine zukunftsfähige Richtung entwickeln, und das ist mein Beitrag.“

Dem Klima und Wetter ausgesetzt
Das kurze Zeitfenster, in dem auf dieser alpinen Höhenlage Gemüse, Obst und Kräuter gedeihen, war in den letzten Jahren von starken Regenfällen im Frühjahr geprägt. Die Ernte litt darunter. Aber auch hier fand Andi Haller eine Lösung: „Die großen Überschüsse für die Gastronomie blieben aus. Das brachte mich auf die Idee, ‚Gemüsekisten‘ für Privatpersonen anzubieten. Es gilt, flexibel zu sein.“ Durch das selbstregulierende Ökosystem hält der Garten stand und Andi Haller zeigt sich anpassungsfähig – Resilienz als eine Eigenschaft, die auch der Garten lehren kann. 

Weitere Informationen: narandi.com


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