Faszination Flamenco

Die Tänzerinnen und Tänzer des Jaleo Flamencovereins in Hohenems können dieses Jahr voller Stolz auf das 20-jährige Bestehen des Vereins zurückblicken. Was sie alle verbindet, ist die Liebe zum Tanz und der Wunsch, dieses Weltkulturerbe Spaniens im Vierländereck weiter zu präsentieren.

Text Monika Bischof, Fotos Angela Lamprecht

Temperamentvolle Bewegungen, herausfordernde Rhythmen, ein Zusammenspiel aus Musik und Tanz – Flamenco ist immer ein Erlebnis. Der Tanz ist elegant, ausdrucksstark und anspruchsvoll. Als Solotanzform benötigt man keine Tanzpartnerin beziehungsweise keinen -partner dafür. Die Beliebtheit und Faszination dieser Kunstform hat längst die spanischen Grenzen überschritten, denn der Flamenco ist weltweit anerkannt und bewundert – so auch in Hohenems.

Kulturelle Fusion

Flamenco ist jedoch mehr als nur ein Tanz. Er ist ein kulturelles Phänomen, das fest mit der Geschichte und den Traditionen Spaniens verwoben ist. Diese Kunstform, die Tanz, Gesang und Gitarrenspiel vereint, hat ihren Ursprung in Andalusien und ist ein Symbol für die reiche und vielfältige Kultur der Region. Die Wurzeln des Flamencos reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück, als Spanien ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen war. Vor allem die Sinti und Roma, Gitanos genannt, die nach Spanien kamen, spielten in der Entwicklung des Flamencos eine entscheidende Rolle: Sie stammten aus Indien und nahmen auf ihrer Wanderung nach Spanien sowohl ihre ursprüngliche Musik als auch ihre Tänze mit und fügten an den verschiedenen Stationen ihrer Reise immer wieder neue Elemente hinzu. Sie legten Wert darauf, diese Einflüsse nicht zu kopieren, sondern als Ergänzung zur Urform ihrer Musik zu sehen. In Spanien kamen Elemente aus den bestehenden musikalischen Traditionen der Mauren, Juden und Christen hinzu. Diese kulturelle Fusion führte zur Entstehung einer neuen, einzigartigen Kunstform. Im 18. und 19. Jahrhundert begann der Flamenco in den Tavernen und Cafés in Andalusien populär zu werden. Diese Orte, bekannt als „Cafés cantantes“, boten eine Bühne für Flamenco-Künstlerinnen und -Künstler und trugen zur Verbreitung und Weiterentwicklung des Genres bei. Zu dieser Zeit wurden auch die drei Hauptkomponenten des Flamencos definiert, nämlich Cante, Baile und Toque.

Gesang, Tanz und Gitarrenspiel

Der Cante, also der Gesang, ist das Herzstück des Flamencos und wird oft als die Seele dieser Kunstform bezeichnet. Die Texte sind meist voller Emotionen und erzählen Geschichten von Liebe, Leid, Freude und Schmerz. Es gibt verschiedene Stile des Flamenco-Gesangs, darunter „Cante jondo“ – tiefer Gesang, der besonders ernst und gefühlvoll ist, und „Cante chico“ – leichter Gesang, der fröhlich und lebhaft ist. Der Flamencotanz, Baile, ist bekannt für seine leidenschaftlichen und ausdrucksstarken Bewegungen. Die Tänzerinnen und Tänzer nutzen ihren gesamten Körper, um Emotionen auszudrücken, wobei der Fokus auf kraftvoller Fußarbeit und eleganten Hand- und Armbewegungen liegt. Der Tanz ist nicht nur eine visuelle Darbietung, sondern auch eine physische Interpretation der Musik und des Gesangs. Die Flamenco-Gitarre, oft als „Toque“ bezeichnet, ist ein wesentliches Element des Flamencos. Die Gitarristin oder der Gitarrist begleitet den Gesang und den Tanz, wobei sowohl rhythmische als auch melodische Unterstützung geboten wird. Die Techniken des Flamenco-Gitarrenspiels sind hoch entwickelt und umfassen komplizierte Fingerpicking-Muster und perkussive Schläge auf das Instrument.
Flamenco ist weltweit anerkannt und geschätzt. So wurde er 2010 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt, was seine Bedeutung und seinen kulturellen Wert unterstreicht. Viele moderne Künstlerinnen und Künstler, aber auch Musikgenres wurden durch den Flamenco beeinflusst. In Spanien bleibt er ein lebendiger und wichtiger Teil des kulturellen Erbes.

Kooperation mit dem Studio Llegando

Sarah Kirsch ist seit drei Jahren im Vorstand des Jaleo Flamencovereins in Hohenems. Der Verein ist eng verknüpft mit dem Tanzstudio Llegando, das von Rachel Bowman geleitet wird. Jaleo ist ein gemeinnütziger Kulturverein mit Schülerinnen und Schülern aus Österreich, der Schweiz, Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein. „Das Ziel unseres Vereins ist es, Flamenco sichtbar und zugänglich zu machen, und zwar in jeder Form – durch Zusehen oder selbst Tanzen“, erklärt Sarah Kirsch. Mitte Juni fand die jährlich durchgeführte Fiesta statt. Heuer hatte dieses Sommerfest eine besondere Bedeutung: Es wurde das 20-jährige Bestehen des Flamencovereins gefeiert. Zu den gemeinsam mit dem Studio Llegando durchgeführten Workshops werden regelmäßig Tänzerinnen und Tänzer aus Spanien eingeladen. „Wir reisen aber auch immer wieder gemeinsam nach Spanien und nehmen dort an Kursen und Workshops teil“, führt Sarah Kirsch weiter aus. Für sie sei mit sechs Jahren schon klar gewesen, dass sie Flamenco lernen möchte: „Eine Freundin meines Papas hat Flamenco getanzt, und als ich bei einem Auftritt zugesehen habe, war für mich sofort klar, dass ich das auch will. Allerdings war ich noch zu jung.“ Drei Jahre später durfte sie dann Unterricht nehmen: „Die Faszination für Flamenco hält bis heute an. Ich komme aus Deutschland und bin vor vier Jahren nach Vorarlberg gezogen. Für mich war es ein Glücksfall, Rachel kennenzulernen und in Hohenems tanzen zu können.“

Hingabe und Ehrlichkeit

Rachel Bowman stammt aus den USA, sie studierte in New York klassischen Gesang. Zum Flamenco kam sie durch Zufall: „Ich wollte ergänzend etwas mit Bewegung machen. In der Tanzschule wurde zu einer für mich idealen Tageszeit Flamenco-Unterricht angeboten. Von dieser Tanzform war ich sofort begeistert.“ In Madrid studierte sie sodann einen Sommer lang spanisches Gesangsrepertoire, Kastagnetten und Flamencotanz. Anfangs lag ihr Fokus noch auf Gesang, doch der Tanz gewann immer mehr an Bedeutung. Sie schildert ihr Studium in Madrid als eine intensive Zeit, seither fährt sie regelmäßig nach Spanien. „Flamenco fasziniert mich durch die Verbindung von Musik und Tanz. Ohne Flamenco-Gesang gibt es keinen Tanz, der technisch, aber auch körperlich anspruchsvoll ist. Flamenco ist eine tolle Möglichkeit, um einen ganz eigenen Ausdruck zu finden. Ich denke, es ist wichtig, alle Tanzformen mit Hingabe und Ehrlichkeit auszuführen. Dadurch gewinnt man Selbsterkenntnis, ganz besonders jedoch beim Flamenco.“ Außerdem solle man nicht vergessen, dass Flamenco mehr ist als nur der Ausdruck von Emotionen: „Flamenco ist durch harte und leidvolle Erfahrungen der Leute damals entstanden und soll deshalb nicht romantisiert werden. Das lässt sich mit der Entwicklung des Blues in den USA vergleichen.“

jaleo.at und llegandostudio.com


Als Einzelheft oder Abo erhältlich


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