Fashion. Weniger, wiederverwenden, länger tragen

Foto LANIUS
Auch in Vorarlberg ist der Trend zu nachhaltig und fair produzierter Mode spürbar. Franziska Wolf, Stephanie Wladika sowie Katharina Frick und David Beger berichten von ihren Erfahrungen.
Von Monika Bischof
Viele kennen die Fotos von der Erzeugung billiger Fast Fashion, die vorzugsweise in Länder des Globalen Südens ausgelagert wird. Unter unwürdigen Arbeitsbedingungen wird dort Billigkleidung für Menschen in der westlichen Welt hergestellt. Und dennoch erfolgt ein Wettlauf um einen rasant ansteigenden Konsum ebensolcher Produkte. Allzu oft werden auch die Bilder riesiger Müllberge aus Textilien, die ebenfalls wieder in Ländern des Globalen Südens landen, aus dem Bewusstsein ausgeklammert. Es gibt jedoch eine Gegenbewegung, die sich bewusst dem Konsum und der Produktion solcher Massenware widersetzt und für sich nach praktikablen Lösungen gesucht hat. Auch in Vorarlberg finden sich immer mehr Menschen, denen eine Entwicklung in Richtung eines nachhaltigen Konsums ein wichtiges Anliegen ist.
Weniger ist mehr
Franziska Wolf ist die Inhaberin des Modeladens „KLEIDERgrün“ in Feldkirch. „Ich habe vor einigen Jahren mit Kindern ein Siebdruckprojekt durchgeführt und dafür weiße T-Shirts benötigt. Als ich dann den Stückpreis von 1,99 Euro sah, dachte ich mir, das geht doch einfach nicht! Und auch eine Jeans um 10 Euro – da sagt einem doch der einfache Hausverstand, dass die nicht so billig sein kann“, erinnert sie sich an ihre Beweggründe für die Eröffnung eines Modegeschäfts. Als Kundin oder Kunde müsse man bedenken, wie die Baumwolle angebaut werde und welchen Weg das fertige Produkt bereits hinter sich habe, bevor es bei einem Textilgroßhändler lande.


Das Label LANIUS setzt auf hohe Standards entlang der gesamten textilen Wertschöpfungskette. KLEIDERgrün / Fotos LANIUS
„Man braucht nicht viel Kleidung“, ist Franziska Wolf überzeugt. „Die Sachen, die ich verkaufe, kann man überall tragen, man soll sich damit nicht verkleidet fühlen. Alles ist gut kombinierbar.“ Als Schneidermeisterin sehe sie das Einzigartige an einem Schnitt. Oftmals sind es kleine Details, die einem Kleidungsstück einen ganz besonderen Charme verleihen: „Ich finde den persönlichen Stil eines Menschen entscheidend. Man kann gerne mit Farben oder dem Schnitt experimentieren, aber jede und jeder hat doch seinen ganz eigenen Stil, der mit dem richtigen Kleidungsstück zur Geltung kommt. Ich lege Wert auf eine gute Tragbarkeit der Kleidung, sie sollte jedoch ein gewisses Extra haben.“ Auch die verwendeten Materialien tragen zum Erfolg ihres Geschäftsmodells bei: „Im Sommer kommen auch Kundinnen und Kunden, die weniger auf die Herkunft ihrer Kleidung achten, in den Laden, da sie dann Baumwolle und Leinen ohne Synthetik schätzen.“

„Die Kleidung wird oft von kleinen Firmen gefertigt. Es werden bei der Herstellung ausschließlich tierfreundliche Wolle, Bio-Baumwolle, Leinen oder recycelte Rohstoffe, die nach festgelegten Standards erzeugt werden, verwendet“
Franziska Wolf
Ihre Kleider, Röcke, Hosen, Shirts, die Yoga-Fashion, die Unterwäsche, der Schmuck und die Schuhe werden fair und ökologisch produziert. „Die Kleidung wird oft von kleinen Firmen gefertigt. Es werden bei der Herstellung ausschließlich tierfreundliche Wolle, Bio-Baumwolle, Leinen oder recycelte Rohstoffe, die nach festgelegten Standards erzeugt werden, verwendet“, sagt Franziska Wolf. Viele Firmen würden immer noch Pionierarbeit leisten.
Die Corona-Pandemie habe auch in dieser Branche ihre Opfer gefordert. „Es ist im Prinzip ein kleiner Markt, der sich immer wieder neu sortiert. Während der Secondhand-Markt boomt, haben es kleine nachhaltige Marken schwerer, da genau die bewussten Kundinnen und Kunden Konsum vermeiden wollen und secondhand einkaufen“, gibt sie zu bedenken. „So gehen manche tollen Firmen derzeit in Konkurs, was sehr schade ist.“
Sie ist dankbar für ihre Stammkundschaft, die in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist: „Ich liebe Begegnungen mit Menschen. Und Verkäuferin zu sein, ist einer der schönsten Berufe, die es gibt. Denn schlussendlich trägt man mit einer ehrlichen Beratung zum Wohlgefühl der Kundinnen und Kunden bei“, ist sich Franziska Wolf sicher. Kleidung soll einfach kein Wegwerfprodukt sein: „Mit einem bewussten Einkauf hat man ein Lieblingsstück im Kasten.“
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Ein Gestaltungsraum der eigenen Ideen
Katharina Frick und David Beger lernten sich in München kennen. Während sie Modedesign studierte, war er als freier Fotograf tätig. In der Folge realisierten sie gemeinsam einige Modestrecken. Als Katharina Frick schwanger wurde, suchte sie nach einer Tätigkeit, die besser mit dem Familienalltag vereinbar war. So begann sie, für ihren Sohn Baby- und Kinderkleidung zu nähen. Ihre Modelle fielen durch ihre Tragbarkeit und Funktionalität auf, wodurch schnell eine rege Nachfrage entstand. So kam es zur Gründung der Firma „Matona“ im Jahr 2016. Als Firmensitz diente vorerst das Wohnzimmer der Familie. „Als dann die ersten Bestellungen von über hundert Stück durch Händler eintrafen, war rasch klar, dass ich das mit meiner Nähmaschine nicht mehr allein stemmen konnte“, sagt Katharina Frick.

Wir leben beide nachhaltig. Wir können gar nicht anders, denn wir wollen eher ein Teil der Lösung als des Problems sein. Uns ist es wichtig, ehrliche und ästhetisch ansprechende Produkte zu einem vernünftigen Preis anzubieten.
Katharina Frick und David Beger,
Foto Matona OG
Die schwierige Suche nach einem Produzenten entpuppte sich sodann als Glücksgriff in Form von kleinen nachhaltigen Firmen in Portugal, mit denen das Ehepaar bis heute gerne zusammenarbeitet.
Die Nachfrage nach langlebiger und mitwachsender Kinderkleidung wuchs ständig. Mittlerweile produziert „Matona“ zwei Kollektionen. Ihre Kinder- und Damenbekleidung ist in Europa, Japan, Südkorea, Australien, Taiwan und in den USA erhältlich. Während David Beger vorwiegend für den Vertrieb, das Marketing und die Geschäftsleitung zuständig ist, entwirft Katharina Frick die jeweiligen Kollektionen. Anregungen dafür findet sie im Alltag mit ihren beiden Söhnen. Dabei spielt neben der Funktionalität auch die Langlebigkeit eine große Rolle. „Dieser Ansatz spiegelt sich auch im Design wider. Bei uns gibt es keine bunten Drucke, alles ist unifarben oder weist Streifen oder Karos auf. Dadurch ist jedes einzelne Stück sehr gut kombinierbar. Wir haben ein durchgängiges Farbkonzept, das auch von unserer Stammkundschaft sehr geschätzt wird“, berichtet Katharina Frick. Die Entscheidung, Kinderbekleidung in dieser Farbgestaltung anzubieten, erfolgte vor allem aus dem Grund, dass sie sowohl für Mädchen als auch für Buben gedacht ist. „Mitunter folgt ein Mädchen in der Geschwisterfolge und dann soll es auch die Kleidung tragen können, die vorher ihr Bruder anhatte“, merkt David Beger zur Langlebigkeit ihrer Produkte an.


Fotos Matona
Katharina Frick und David Beger wollen mit ihrem Label ein Statement setzen: „Wir leben beide nachhaltig. Wir können gar nicht anders, denn wir wollen eher ein Teil der Lösung als des Problems sein. Uns ist es wichtig, ehrliche und ästhetisch ansprechende Produkte zu einem vernünftigen Preis anzubieten. Schlussendlich ist es nämlich günstiger, das Geld für länger haltbare Waren als für billig produzierten Ramsch auszugeben. Schließlich hat man auch mehr Freude mit auf diese Weise produzierter Kleidung.“ Das Paar ergänzt sich kongenial, Ideen werden aufgegriffen und weiterentwickelt: „Wir sind inzwischen Experten in ganz vielen Bereichen wie etwa im Verzollen oder in der Gestaltung unserer Webseite. Natürlich war alles eine Herausforderung. Aber wir sind sehr visuelle Menschen und betrachten unsere Firma als ein Gestaltungsraum unserer Ideen – und das macht unglaublich Spaß!“
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Die Hochwertigkeit manueller Arbeit
Stephanie Wladika ist Maß- und Änderungsschneiderin in Bregenz. Ihr Atelier in der Kirchstraße 33 bietet einen reichhaltigen Fundus an allen möglichen Stoffen, Knöpfen und Garnen. „Ich bin eine leidenschaftliche Sammlerin, bei mir findet auch das kleinste Stoffrestchen eine Verwendung. Alte Bettwäsche gebrauche ich beispielsweise für meine Probeschnitte, damit ich dann beim hochwertigen Originalstoff stoffsparender zuschneiden kann“, erklärt die Schneidermeisterin. „Ich habe nach meiner Ausbildung auch in der Textilindustrie gearbeitet. Das ist eine ganz andere Herangehensweise, aber ich habe dadurch viel gelernt“, erzählt sie.

„Beim Upcycling muss man jedoch sehr gut aufpassen, was wirklich zusammenpasst“
Stephanie Wladika. Foto Udo Mittelberger
Die Kombination aus ihrer Erfahrung in der industriellen Textilverarbeitung und ihrem handwerklichen Geschick brachten ihr viele Aufträge als Kostümschneiderin in der Filmbranche. Beim letzten Auftrag vor wenigen Wochen in Wien wurden die historischen Kleider für die Hauptfiguren alle von Hand genäht. Bei denen für die anderen Darstellerinnen und Darsteller war hingegen ihre Fähigkeit, relativ schnell mehrere Kostüme zuschneiden zu können, von großem Vorteil. Eine weitere wertvolle Erfahrung ist für sie ihre fünfjährige Ausbildung zur Bühnenbildnerin in Florenz: „Wir haben dort unter anderem auch viel über Farbpsychologie gelernt, das kommt mir heute noch in den verschiedensten Bereichen zugute.“
Die Anfertigung eines maßgeschneiderten Kleidungsstücks ist wesentlich aufwendiger als die eines in der Textilindustrie produzierten. Aber Stephanie Wladika liebt es, ihre eigene Kreativität einzubringen. Aus alten Hemden, Tischdecken oder Vorhängen schneidert sie Röcke. „Beim Upcycling muss man jedoch sehr gut aufpassen, was wirklich zusammenpasst“, sagt sie und zeigt einige wunderschöne Cocktailkleider im Stil der 1920er Jahre. „Man kann nicht einfach unten irgendetwas drannähen, dann könnte man ja gleich eine Patchworkdecke anziehen“, meint sie humorvoll. Das Schneiderhandwerk hat für sie viel mit Freiheit zu tun. Ein besonderes Vorbild ist für sie die Designerin Vivienne Westwood mit ihrer unkonventionellen Lebensweise. „Von Designern und Designerinnen kann man sich inspirieren, aber keinesfalls einen Stil diktieren lassen. Kleidung ist immer sehr persönlich. Mode ist für mich ein Kommunikationsmittel. Den wenigsten Menschen ist jedoch bewusst, was sie durch ihren Kleidungsstil ausdrücken und ihrer Umgebung dadurch vermitteln. Ich finde, dass dies schon in der Schule gelernt werden müsste.“ Ihre Kreativität erleichtert unter anderem auch Änderungsarbeiten: „Ich bin sehr flexibel und spontan. Dadurch fallen mir oft ungewöhnliche Lösungsvorschläge ein, durch die meine Kundinnen und Kunden ein ihnen lieb gewordenes Kleidungsstück noch wesentlich länger tragen können.“ Auch sie ist der Ansicht, dass weniger oft mehr ist und eine gut ausgewählte Garderobe mit einzelnen schönen Stücken ausreicht. Ihr reichhaltiges Sortiment in ihrem Geschäft jedoch dient ihr als ständige Inspirationsquelle.

Rock von Stephanie Wladika. Foto Stefan Grdic